Der Feind
Computer übertragen wurden, und sah schließlich an dem Code am Ende der Übertragung, dass insgesamt sechzehn Minuten und achtzehn Sekunden an Telefongesprächen aufgenommen worden waren. Er löschte das Material auf dem Scanner und beendete die Verbindung. Der Scanner in Riellys Kofferraum konnte bis zu fünf Stunden an digitalen Telefongesprächen speichern, was für seine Zwecke mehr als ausreichend sein sollte. Gould öffnete die Audiodatei an seinem Palm Pilot und begann das Material abzuspielen. Die erste Aufnahme stammte vom Vorabend und gab nur wieder, wie Anna auf dem Nachhauseweg Radio gehört hatte. Gould ließ das Ganze ein Stück vorlaufen, damit er nicht alles anhören musste, hörte aber immer wieder hinein, um sicherzugehen, dass ihm nichts entging. Nach acht Minuten und siebenunddreißig Sekunden rief sie eine Freundin namens Liz an. Sie fragte, wie es ihrem Patensohn gehe, und sprach mit der Frau über Babys im Allgemeinen. Gould sprang wieder ein Stück vor. Er würde sich später jedes einzelne Wort anhören, aber im Moment wollte er vor allem wissen, ob auch ein Gespräch mit Rapp dabei war.
Gould verließ den Parkplatz und fuhr die Annapolis Road entlang. Er hatte vor, sich etwas näher mit der Gegend vertraut zu machen. In seiner Zeit in den Staaten hatte er zwar zwei Ausflüge an die Chesapeake Bay unternommen, doch die Gegend südlich von Annapolis, in der Rapp lebte, kannte er überhaupt nicht. Er wollte sich vergewissern, dass alles so war, wie man es auf der Karte vorfand. In einem Land wie Amerika brauchte man sich deswegen wohl keine wirklichen Sorgen zu machen, aber in manchen gottverlassenen Gegenden der Dritten Welt, wo Gould gedient hatte, waren gute Karten eine Seltenheit. Dennoch konnte eine Karte nie mehr sein als die Darstellung einer Gegend auf einem Blatt Papier. Man konnte ihr zwar die entsprechenden Ortsnamen entnehmen, aber um einen wirklichen Eindruck von einem Ort zu gewinnen, musste man ihn schon mit eigenen Augen sehen. Für gewöhnlich waren auf Karten auch nicht irgendwelche Pfade durch den Wald eingezeichnet, sie zeigten keine Gebüsche an und verrieten auch nicht, woher der Wind wehte. Und dann musste man natürlich auch noch die jeweilige Jahreszeit berücksichtigen. Ein Ort, an dem man sich im Sommer perfekt verborgen halten konnte, mochte im Winter dafür völlig ungeeignet sein. All diese Dinge musste man persönlich erkunden, aber auch dann musste man sehr vorsichtig sein – vor allem, wenn man es mit jemandem wie Mitch Rapp zu tun hatte. Aufklärungsarbeit war in solchen Situationen nur dann hilfreich, wenn die Zielperson nicht wusste, dass sie beobachtet wurde. Die Aufklärung war wohl überhaupt der schwierigste Teil von Goulds Arbeit. Training und Planung waren ebenfalls wichtig, aber bei diesem Teil der Vorbereitung konnte absolut nichts Unerwartetes passieren. Bei der Aufklärung jedoch musste er sich stets ein Stück weit aus der sicheren Deckung vorwagen.
Gould fuhr noch etwa fünf Minuten in südlicher Richtung weiter, ehe er sich nach Osten wandte. Die meisten Fahrzeuge waren nach Westen unterwegs, sodass er in seiner Richtung nur wenig Verkehr hatte. Er spielte weiter die Aufnahme ab, doch seine Gedanken beschäftigten sich gleichzeitig mit dem herben Rückschlag, den er an diesem Morgen erlitten hatte. Die Operation war bis dahin völlig reibungslos verlaufen. Sie waren problemlos in das Land eingereist, das Geld lag mittlerweile auf sicheren Konten, und sie waren Anna Rielly ohne Schwierigkeiten nach Hause gefolgt. Doch dann waren sie plötzlich Mitch Rapp begegnet, und Claudia hatte ihren Mund aufgemacht. Bei diesem Gedanken wurde er plötzlich wieder auf das Telefongespräch aufmerksam, das er gerade abspielte. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Er war immer noch ziemlich wütend auf Claudia, vor allem, weil er sich nun sicher war, dass sie es ganz bewusst darauf angelegt hatte, schwanger zu werden. Aber während er noch mit seinem Schicksal haderte, kehrte das Glück mit einem Schlag wieder zu ihm zurück. Das Telefongespräch, das er gerade hörte, hatte vor einer Stunde zwischen Anna Rielly und einer Freundin stattgefunden. Es folgte ein weiteres Gespräch, in dem Rapps Frau für ihren Mann einen Termin bei einem Arzt vereinbarte, einem orthopädischen Chirurgen. Danach rief dieser Arzt Rapp an, damit ihm dieser sein Problem erläuterte. Es lief darauf hinaus, dass Rapp sein linkes Knie nicht mehr beugen konnte. Der Arzt riet ihm,
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