Der Feind
hatte, war er auf der Schnellstraße zum Dulles International Airport gefahren. Von dort hatte er den Hirst-Brault Expressway Richtung Leesburg genommen. Gut zehn Kilometer südlich der Stadt wählte er einen Umweg und fuhr in westlicher Richtung weiter. Wenige Minuten später kam er zu der Pferdefarm und fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit daran vorbei. Der Zaun war von Bäumen gesäumt, die das Haus verdeckten, das etwa vierhundert Meter von der Straße entfernt auf einem Hügel stand. Zu beiden Seiten des Haupttores waren Kameras installiert. Tayyib dachte sich, dass Castillo und seine Leute wenig Mühe haben würden, sich Einlass zu verschaffen.
Er fuhr noch einige Kilometer auf der Landstraße weiter, ehe er kehrtmachte und zur Stadt zurückfuhr. Es dämmerte bereits, und er musste sich auf seinen Posten begeben. Auf dem Weg nach Leesburg kam Tayyib am Sheriff’s Department von Loudoun County vorbei. Er hatte die Adresse im Internet gefunden und sich die entsprechende Anfahrtsbeschreibung von MapQuest ausgedruckt. Sechs Streifenwagen und ein Suburban standen zusammen mit einem halben Dutzend Zivilfahrzeugen auf dem Parkplatz. Er fuhr in die Stadt weiter und rollte langsam am Polizeirevier vorbei. Da waren drei Polizeiwagen auf dem Parkplatz und einer, der gerade losfuhr. Er hatte keine Ahnung, wann der nächste Schichtwechsel stattfinden würde, doch er bezweifelte, dass es an einem Samstagabend um halb zehn passieren würde. Langsam fuhr er durch die idyllische Stadt mit ihren Antiquitätenläden, Frühstückspensionen, Cafés, Eisdielen und Restaurants.
Tayyib stellte den Wagen in der Nähe eines Cafés ab. Er betrat das Lokal, wo er von einer übertrieben freundlichen und äußerst spärlich bekleideten jungen Frau begrüßt wurde. Er bestellte einen Espresso zum Mitnehmen und sah sich um. Es waren drei weitere Gäste anwesend – zwei Teenager, die sich in der Nähe des vorderen Fensters ungeniert küssten, und ein junger Mann, der in die Tasten seines Laptops tippte. Tayyib hätte die beiden jungen Leute am liebsten geohrfeigt, ehe er sich in Erinnerung rief, dass er Wichtigeres zu tun hatte. Er zahlte in bar und trat vor das Café hinaus, wo er auf den richtigen Moment wartete. Die Luft war etwas kühl, was den Leuten hier jedoch nichts auszumachen schien. Eine Frau im Tanktop spazierte mit ihrem Hund vorbei, und zwei junge Mädchen saßen vor der Eisdiele, in Röcken, die kaum ein Drittel ihrer Oberschenkel bedeckten. Auf der anderen Straßenseite drang laute Musik aus einer Bar, mehrere Paare spazierten vorüber, und einige Teenager sausten auf Skateboards vorbei. Sie alle schienen sich prächtig zu amüsieren. Nun, das wird sich gleich ändern , dachte Tayyib bei sich.
Der Saudi trat zu einem kleinen Baum, betrachtete kurz die Äste und wählte dann seinen Platz. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr trank er seinen Espresso aus und warf den Becher auf den Boden. Er drehte sich zur Seite, damit die beiden jungen Liebenden nicht sehen konnten, was er tat, und zog eine Handgranate sowie eine Rolle Angelleine aus der Jackentasche. Tayyib drehte dem Café den Rücken zu, blickte nach links und rechts und hängte dann die Handgranate mit dem Sicherungsbügel an einen der Zweige. Die Granate hing an dem Baum wie eine Frucht und hob sich mit ihrem mattgrünen Farbton ein wenig von den leuchtenden Herbstfarben der Blätter ab. Tayyib nahm das Ende der Angelschnur und wickelte es sich um zwei Finger, während das andere Ende am Stift der Granate festgebunden war. Dann ging er langsam zum Wagen zurück und zog dabei die Leine am Boden hinter sich her. Ein Paar im mittleren Alter ging an ihm vorüber, und er trat etwas näher an die Straße, damit die beiden nicht an der Leine hängen blieben. Das Letzte, was er wollte, war, selbst von Granatsplittern im Rücken getroffen zu werden.
Als Tayyib die Ecke erreichte, blieb er stehen und drehte sich um. Er konnte nur noch die ersten paar Meter der Leine sehen, die sich weiter vorne in der Dunkelheit verlor. Das Paar im mittleren Alter war fast beim Café angekommen, und zwei Frauen kamen aus der entgegengesetzten Richtung. Je größer das Chaos, umso besser , sagte er sich und bog mit der Angelleine in der Hand um die Ecke. Sobald er geschützt war, riss er fest an der Leine, die sich daraufhin löste.
Tayyib ließ die Angelschnur fallen und eilte zum Wagen, während er im Kopf die Sekunden herunterzählte. Er kam bis fünf, als es passierte. Eine laute
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