Der Feind
Selbstmordattentäter eine noble Aufgabe erfüllten, und die nicht das Geringste dabei fanden, dass bei solchen Anschlägen auch kleine Kinder ums Leben kamen.
So etwas hatte Rapp stets vermieden. Er hatte immer alles getan, damit keine Unschuldigen zu Schaden kamen, doch heute würde das besonders schwer werden. Männer wie Saeed hatten stets ein Gefolge aus Verwandten, Assistenten, Dienern und Freunden um sich. Rapp wusste nicht, wie viele von diesen Männern in den Tod seiner Frau verwickelt waren, aber es war durchaus wahrscheinlich, dass viele, wenn nicht alle von dem Plan wussten und damit Komplizen waren. Aber reichte das aus, um sie zu töten? Rapp hatte sich diese Frage immer wieder gestellt. Diese Männer waren ihm genauso feindlich gesinnt. Sie waren alle Wahabis, die zum Dschihad aufriefen und jubelten, wenn im Irak ein unschuldiger Zivilist enthauptet wurde. Das waren Männer, die ihre Frauen zu Hause einsperrten und die sich wahrscheinlich gefreut hatten, als die Zeitungen die Nachricht vom Tod von Rapps Frau brachten. Die Vorstellung, dass diese Leute die Ermordung seiner Anna feierten, brachte ihn zur Weißglut, und er beschloss, diesen frommen Männern einen Denkzettel zu verpassen. Sie, die mit ihrem Geld die Ermordung unschuldiger Menschen unterstützten, sollten ein Blutvergießen derselben Art erleben.
Er trat auf die Bremse und bog rechts ab. Der Van war nun das einzige Fahrzeug auf der Straße. Rapp sah einen Mann in der traditionellen saudischen Kleidung entgegenkommen. Er schien es eilig zu haben und blickte sich immer wieder um, so als hätte er Angst, verfolgt zu werden. Normalerweise hätte ein solches Verhalten Rapps Aufmerksamkeit geweckt, doch in diesem Fall war es leicht zu erklären, warum sich der Mann so verhielt. Er fürchtete, von der Religionspolizei ertappt und bestraft zu werden, weil er das Mittagsgebet ignorierte.
Rapp wurde etwas langsamer, als er sich dem anderen Ende des Häuserblocks näherte. Der Hauptsitz von Abdullahs Unternehmen war ein minimalistischer Betonklotz, der lediglich durch seine Größe auffiel. Die Moschee hingegen war eines der kunstvollsten Gebäude, die Rapp je gesehen hatte. Vier Minarette ragten an den Ecken empor, und eine riesige goldene Kuppel thronte mitten auf dem Gebäude. Rapp vermutete, dass die Kuppel tatsächlich aus Gold war. An einer Ecke des Gebäudes sah er eine Sicherheitskamera, die den Eingangsbereich abdeckte.
Rapp fuhr an der Ampel geradeaus und bog dann links ab. Er fuhr zweimal um den Block herum und hielt dann an einem Punkt an, der nicht von der Sicherheitskamera erfasst wurde. Der Platz lag außerdem im Schatten und ermöglichte den Blick auf die Moschee. Er stellte den Motor ab und ging nach hinten, um nach Wahid zu sehen. Rapp setzte ihn auf und lehnte ihn gegen die Seite des Vans. Wahid sagte, dass er Durst habe. Rapp legte eine Hand unter sein bärtiges Kinn, neigte seinen Kopf zurück und gab ihm etwas Wasser zu trinken.
»Besser?«, fragte Rapp.
Wahid nickte.
»Glaubst du, dass du gehen kannst?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
Rapp zog ein Messer hervor und schnitt die weißen Plastikfesseln an Wahids Fußknöcheln durch. Er forderte ihn auf, die Beine ein wenig zu bewegen, und fragte ihn, ob er noch einen Schokoriegel haben wolle. Wahid nickte. Rapp entfernte die Verpackung und gab ihm den Riegel in die gefesselten Hände.
»Wir stehen hier nicht weit vom Büro deines Vaters«, teilte ihm Rapp mit und sah Wahids überraschtes Gesicht. »Dein Vater weiß nicht, dass der Austausch stattfinden wird. Verstehst du mich?«
Wahid nickte.
»Da draußen ist ein Mann, der immer eine Waffe auf dich gerichtet hat. Falls du irgendetwas anderes tust, als deinen Vater zu umarmen, wird er dich erschießen. Wir wollen keine große Szene machen. Hast du verstanden?«
»Ja.«
Rapp blickte auf seine Uhr. Es gab natürlich keinen Mann mit einer Waffe, aber das würde Wahid nie erfahren. »Bist du bereit, ein paar Schritte zu gehen?«
»Ja.«
Rapp schnitt Wahids Handfesseln durch. »Mach ja keinen Unsinn, sonst töte ich dich«, warnte er den Mann. Mit dem Messer in der Hand tat Rapp so, als würde er mit der anderen Hand Wahids Gewand glätten. In Wirklichkeit überprüfte er etwas, das an der Weste des Saudis befestigt war. Rapp steckte das Messer ein und öffnete die Tür. Die Moschee würde sich in wenigen Minuten zu leeren beginnen. Er half Wahid bis zur Hecktür und ließ ihn zwanzig Sekunden dort sitzen. Rapps Äußeres
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