Der Feind
Fremden auf dem Flughafen stand, gab es keinen Kameradschaftsgeist mehr, der ihn gestützt hätte. Seine Gedanken kehrten zu Claudia zurück – und zu dem Kind, das in ihrem Bauch heranwuchs. Ohne noch länger nachzudenken, ging er zum Ticketschalter zurück und tauschte sein Ticket nach Washington gegen eines nach Ixtapa.
Louie betrachtete die Wellen, die unter ihm gegen die Felsen schlugen, und lächelte. Er war sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Es war ihm geradezu peinlich, sich vorzustellen, dass er Claudia beinahe verlassen hätte, wo sie ihn gerade jetzt besonders dringend brauchte. Louie hatte sich einst geschworen, dass er nie so sein würde wie sein Vater. Sie in ihrer schweren Situation einfach so im Stich zu lassen war genau das, was auch sein Vater getan hätte.
Louie sah zu, wie die Segelboote sanft auf dem Wasser schaukelten. Dieser Ort war etwas ganz Besonderes. Zu schade, dass sie nicht bleiben und als Familie hier leben konnten.
In diesem Augenblick trat Claudia zu ihm und legte die Arme um seine Taille. »Warum bist du so früh schon auf?«
»Ich bin nur aufgestanden, um auf die Toilette zu gehen, aber dann wollte ich noch einen Blick aufs Meer werfen.« Louie richtete sich auf und legte seine Hände auf die ihren. »Es ist einfach wundervoll hier.«
»Viel schöner, jetzt, wo du da bist.«
Er löste ihre Hände von seiner Taille und stellte sich neben sie. Seine Arme legten sich um ihre Schultern und die ihren um seine Taille, als sie auf die Bucht hinausblickten. »Es ist jammerschade«, sagte Louie schließlich mit einem Seufzer.
»Was?«
»Dass wir wegmüssen.«
»Warum?«, fragte sie enttäuscht.
»Du weißt, warum. Es wäre zu riskant, zu lange an einem Ort zu bleiben, besonders jetzt.«
Mit einem Gefühl der Beklemmung dachte Claudia an den schweren Weg, der vor ihnen lag. Sie hatte Louie noch nicht gesagt, was sie in den Tagen seiner Abwesenheit getan hatte, und der Gedanke daran plagte sie nun immer mehr. Es war schwer zu sagen, wie er reagieren würde, doch eines stand fest: Je länger sie damit wartete, umso schwerer würde es ihr fallen. Claudia legte den Kopf an Louies nackte Brust und wollte schon zu sprechen beginnen, als sie doch noch den Mut verlor.
Louie bemerkte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. »Was ist?«, fragte er.
Sie hielt ihn fest und fragte: »Liebst du mich?«
»Natürlich, das weißt du doch«, antwortete er lachend.
»Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.« Sie küsste ihn auf die Brust und fügte hinzu: »Aber ich möchte, dass du daran denkst, wie es mir geht, wenn ich es dir erzähle.«
Louie fasste sie an den Schultern und trat einen Schritt zurück. Er kannte Claudia gut genug, dass ihn ihr Ton alarmierte. »Was hast du getan?«
Sie sah ihm in die Augen, zögerte noch einmal, und platzte dann heraus: »Ich hatte Kontakt mit der CIA.«
Louie blickte in ihre Augen und sah sofort, dass sie die Wahrheit sagte. »Warum?«, fragte er so ruhig, wie er es zustande brachte.
»Das ist kompliziert. Es begann damit, dass ich ihnen sagen wollte, wie leid es mir tut, dass die Frau ums Leben gekommen ist. Außerdem weißt du ja, dass ich Abel nicht mag. Er war mir von Anfang an unsympathisch.«
»Abel ist mir egal. Ich will wissen, was du getan hast.«
»Nachdem wir uns getrennt hatten, schickte mir Abel noch einige E-Mails, in denen er uns drohte. Wenn er uns so kommt, dachte ich mir, dann verrate ich der CIA seinen Namen. Wir wollen doch mal sehen, wie es ihm gefällt, wenn Mitch Rapp hinter ihm her ist.«
Louie nickte langsam. Irgendwie bewunderte er Claudia sogar für diesen Schritt. Er hatte Abel gewarnt, keinen Unsinn zu machen. Der Mann war nicht in der Position, ihnen zu drohen, aber Louie vermutete, dass der Deutsche selbst unter großem Druck stand, das Geld zurückzugeben. Und manche Leute taten oft sehr unüberlegte Dinge, wenn sie unter Druck standen. »Die CIA ist eine große Organisation«, sagte Louie. »Mit wem hast du Kontakt aufgenommen?«
»Direktor Kennedy.«
Die Antwort überraschte Louie doch einigermaßen. »Wenn du sagst, du hattest Kontakt mit der CIA – was genau meinst du damit?«
»Wir haben E-Mails ausgetauscht.«
»Wie oft?«, fragte Louie mit einem beklemmenden Gefühl.
»Ich habe ihr vier Mails geschickt.«
Louie ließ ihre Schultern los und biss sich fast auf die Zunge. »Warum vier?«
Claudias große braune Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah, dass Louie Mühe hatte, seinen
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