Der Feind
Sache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was Wahrheit und was List und Tücke war. Er schlug Irene Kennedy vor, ihrem Computer-Spezialisten den Auftrag zu geben, die Konten dieses Erich Abel zu leeren und die Banken im Auge zu behalten. Der Kerl mochte sich noch so gut verbergen – wenn er feststellte, dass plötzlich elf Millionen Dollar von seinen Konten verschwunden waren, würde er wissen wollen, was passiert war. Inzwischen musste sich Rapp jedoch darauf konzentrieren, das Wiedersehen von Vater und Sohn in die Wege zu leiten.
Rapp kam in der saudischen Hauptstadt Riad an, als gerade der Ruf zum Mittagsgebet erklang. Der Verkehr ließ immer mehr nach, während die Geschäfte schlossen und sich die Straßen leerten. Irene Kennedy hatte ihm dank einer Quelle in Riad bestätigen können, dass der Vater dort war, wo Rapp ihn vermutete. Saeed Ahmed Abdullah war ein treuer Anhänger der ultraradikalen islamischen Wahabi-Sekte. Er hatte unzählige Moscheen, Waisenhäuser und religiöse Schulen erbauen lassen, die von Wahabi-Geistlichen geführt wurden, die allesamt den Westen hassten. Viele Saudis folgten den Lehren ihres Glaubens, solange sie in der Heimat waren, aber sobald sie das Land verließen, vergnügten sie sich mit all den verbotenen Früchten – dem Glücksspiel, dem Alkohol, manchmal auch Drogen und vor allem Sex. Doch Saeed Ahmed Abdullah war anders. Er war zu allen Zeiten ein frommer Moslem. Er betete nicht nur fünfmal am Tag, wie es in seinem Glauben vorgeschrieben war – er tat das noch dazu in einer Moschee, mit Ausnahme des Isha oder Nachtgebets, das vor dem Zubettgehen gesprochen wurde.
Es war nicht so einfach, ein Unternehmen zu führen, das Milliardenumsätze machte. Saeed musste viel Zeit dafür aufwenden, und um trotzdem seinem Glauben entsprechend leben zu können, hatte er direkt gegenüber seinem Haus und seinem Büro Moscheen errichten lassen. Laut einem Bericht des jordanischen Geheimdiensts verrichtete er das Fajr, das Gebet vor Sonnenaufgang, und das Maghrib, das Abendgebet, in der Moschee vor seinem Haus. Das Zuhr oder Mittagsgebet sprach er ebenso in der Moschee bei seinem Büro wie das Asr oder Nachmittagsgebet. Die Jordanier behielten Saeed schon seit einiger Zeit im Auge. Der Mann errichtete nicht nur Moscheen, Waisenhäuser und Schulen – er spendete auch beträchtliche Summen, um Hisbollah, Hamas und einige andere palästinensische Terrororganisationen zu unterstützen, die auf Selbstmordattentate spezialisiert waren. Es gefiel den Jordaniern gar nicht, dass die Saudis Öl in ein Feuer gossen, das man seit Jahrzehnten zu löschen versuchte, deshalb bemühten sie sich herauszufinden, wer die Brandstifter waren, und gaben ihre Informationen dann an entsprechende Kontaktpersonen in der königlichen Familie und an die US-Regierung weiter.
Die Selbstmordattentäter und Terroristen waren schon schlimm genug, aber bis zu einem gewissen Grad respektierte Rapp diese Leute sogar dafür, dass sie den Mut für ihre Taten aufbrachten. Keinerlei Respekt hegte er jedoch für Männer wie Saeed, die diese Eiferer mit Geld versorgten und sich ansonsten nicht die Hände schmutzig machten. Diese Leute wussten genau, was mit ihrem Geld passierte. Sie wussten, dass sie damit Selbstmordattentäter unterstützten, die in Busse einstiegen und unschuldige Männer, Frauen und Kinder töteten – ja, sie waren sogar stolz darauf, in ihrem verblendeten Glauben, dass sie damit Gottes Werk taten.
Während Rapp nun durch das Geschäftsviertel der Stadt fuhr, fühlte er nichts als einen unbändigen Zorn, der seine Sinne für die bevorstehende Aufgabe schärfte. Für die meisten Menschen wäre die Vorstellung, Rache für den Mord an einem geliebten Menschen üben zu können, zwar etwas Verlockendes, aber etwas, vor dem man letztlich doch zurückschrecken würde. Die meisten würden es schlicht und einfach nicht über sich bringen, jemandem das Leben zu nehmen, auch wenn der Betreffende noch so schwere Schuld auf sich geladen haben mochte. Für Rapp war das anders. Was er heute tat, war nichts anderes als sein Job – mit dem einen Unterschied, dass es diesmal um einiges persönlicher war. In den vergangenen fünfzehn Jahren hatte er viele Menschen getötet. Mit einigen wenigen hatte er Mitleid empfunden, die meisten jedoch hatte er einfach nur verachtet. Es waren Männer, die an ihrer fanatischen, sexistischen Perversion des islamischen Glaubens festhielten, die überzeugt waren, dass
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