Der Feind
war.
»Darüber reden wir später«, erwiderte sie und zeigte auf den Konferenztisch.
Rapp blickte auf den Tisch hinunter, wo vier verschiedene Zeitungen ausgebreitet lagen. Die New York Times , die London Times , die Montreal Gazette und die Washington Post , die er bereits gesehen hatte. Alle Blätter berichteten über die Ermordung des islamischen Geistlichen auf der Titelseite.
»Was zum Teufel ist passiert?«, fragte sie.
Rapp las die fett gedruckten Schlagzeilen. Das war noch besser, als er gehofft hatte.
»In der Montreal Gazette steht, er wäre fast enthauptet worden«, fügte Kennedy hinzu.
Rapp sah seine Chefin an. »Das ist übertrieben.«
»Und woher weißt du das so genau?«, fragte Kennedy, die ihn schon vor einiger Zeit angewiesen hatte, anderen die Dreckarbeit zu überlassen.
Rapp beschloss, dass es fürs Erste am besten war, gar nichts zu sagen.
»Er lag praktisch mitten auf der Straße«, fuhr sie fort.
»Nun … das stimmt«, bestätigte Rapp.
»Also, das will mir einfach nicht in den Kopf«, sagte sie stirnrunzelnd. »Ich dachte, wir hätten etwas vereinbart – nämlich, dass so etwas …« – sie zeigte auf die Zeitungen – »… unter allen Umständen vermieden werden muss.«
»Das weiß ich, aber lass mich erst einmal erklären.«
Sie verschränkte die Arme und begann wieder mit dem Fuß auf den Boden zu tippen. »Ich warte.«
Rapp stieß einen Seufzer aus und blickte wieder auf die Zeitungen hinunter. »Ich habe bis jetzt nur die Washington Post gelesen. Es steht nichts von uns drin. Sie schreiben, dass er als Terrorverdächtiger gilt und in Frankreich im Gefängnis war, aber das ist auch schon alles.«
»Das war heute. Glaub mir, morgen werden sie den Zusammenhang herstellen. Es kommen laufend Anrufe von Journalisten, die eine große Geschichte wittern. Die Sache wird sich zu einem Riesenproblem auswachsen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Und warum nicht, Herr Medienexperte?«
»Weil die Medien nach weiteren Informationen suchen. Die Polizei von Montreal hält noch den Mund, aber das wird nicht lange so bleiben. Ja, ich würde sogar darauf wetten, dass die Einzelheiten des Verbrechens schon irgendwo durchsickern. Diese Geschichte wird ganz woanders hinführen als zu uns.«
Sie musterte ihn einige Augenblicke schweigend. »Was hast du getan?«, fragte sie schließlich.
»Sagen wir so – wir haben dafür gesorgt, dass es wie ein Affektmord aussieht und nicht wie eine professionelle Eliminierung.«
»Einzelheiten.« Es war ein Befehl, keine Bitte.
»Was die Medien noch nicht wissen, ist, dass Khalil mit einem Bündel Geldscheine im Mund gefunden wurde. An die Mauer des Hauses, an dem er lehnte, hatte jemand mit seinem Blut das Wort Munafiq geschrieben.«
»Heuchler«, übersetzte Irene Kennedy das Wort laut. »Ich verstehe nicht, was das soll.«
»Coleman hat vergangene Woche einige interessante Dinge über ihn herausgefunden. Nicht alle, die zu ihm in die Moschee kamen, waren mit ihm zufrieden. Es gab wachsenden Unmut darüber, dass er immer wieder zum Dschihad aufrief und auch junge Männer für den Kampf rekrutierte. Und es gab da noch etwas. Etwas, das Moslems, aber nicht nur sie, empörend finden.«
»Und das wäre?«
»Der Kerl war ein Pornofan.«
»Was?«
Rapp zog den Speicherstick, den Coleman ihm gegeben hatte, aus der Tasche. »Scott hat sich in seiner Wohnung umgesehen und seine Festplatte kopiert. Das Ding war voll mit Pornozeug. Fesselungsspiele, Sado-Maso und sogar Kinderpornografie. Das Zeug hätte ihn in große Schwierigkeiten bringen können.«
»Das ist nicht dein Ernst?«
»Und ob.« Rapp hielt den Stick hoch. »Sieh es dir doch selber an.«
Irene Kennedy schloss die Augen. »Ich glaube es dir auch so.«
»Er hatte auch Zeitschriften zu Hause. Ziemlich krankes Zeug, das kannst du mir glauben.«
»Und du meinst, die Polizei und die Medien werden uns deswegen nicht verdächtigen?« Sie schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, Mitchell, das klingt mir nicht sehr plausibel.«
Rapp blickte zu Boden und dann zum Fenster hinüber. »Da wäre noch etwas.«
»Was denn?«
»Die Leiche war … na ja … nicht wirklich schön anzusehen.«
Irene Kennedy stemmte die Hände in die Hüfte und sah ihn vorwurfsvoll an. »Warum das?«
»Ich wollte nicht, dass es zu professionell aussieht.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Irene, glaub mir, ich weiß, wie die Cops denken. Für sie ist das eindeutig ein Racheakt. Sie werden annehmen, dass der
Weitere Kostenlose Bücher