Der Feind
vom Kaminsims ab und ging ins Esszimmer hinüber. Coleman hatte die Flasche exklusiven Louis-XIII-Cognac gefunden. Der Ex-SEAL hatte gemeint, dass er die Flasche gern behalten würde, und Rapp hatte geantwortet, dass er es ihm nicht versprechen könne. Jetzt hatte er etwas Besseres mit dem teuren Cognac vor. Er kehrte mit der Flasche in der Hand zum Kamin zurück. Rapp öffnete sie und überlegte, ob er einen Schluck nehmen solle. Er dachte an seine Frau und das Leben, das sie zusammen gehabt hätten. Er dachte an das Kind, das sie nie zusammen haben würden. Und schließlich dachte er daran, dass seine ganze Zukunft von diesem geldgierigen Schurken ruiniert worden war, der hier vor ihm saß.
Abel wurde immer nervöser. Wenn Männer wie Rapp still wurden, war meistens nichts Gutes zu erwarten. Er musste das Gespräch wieder in Gang bringen. »Wir sind doch beide Profis, Sie und ich. Ich kenne die Regeln. Profis fügen den Angehörigen des anderen keinen Schaden zu.«
»Du warst ein Stasi-Schwein und hast Leute entführt und Lösegeld gefordert. Wir zwei waren nie im selben Geschäft.« Rapp hob die Flasche an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Der Cognac glitt mit einem sanften Brennen die Kehle hinunter.
»Wie alt ist dieses Haus eigentlich?«, fragte Rapp und blickte zu den hölzernen Dachsparren hinauf.
»Es wurde 1952 gebaut«, antwortete Abel mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht.
Rapp nickte. »Ich schätze, das Holz ist ziemlich trocken in dieser Höhe.« Er neigte die Flasche und goss etwas Cognac auf den Holzfußboden und den Teppich.
»Was machen Sie da?«, rief Abel entsetzt.
»Ich bereite deinen Scheiterhaufen vor«, antwortete Rapp und goss noch etwas Cognac auf den Boden.
»Nein!«, schrie Abel. »Ich weiß noch mehr!«
»Davon bin ich überzeugt. Noch mehr Lügen.« Der Cognac spritzte ins Feuer, und die Flammen schossen aus dem Kamin hervor und breiteten sich über den Teppich aus. Rapp beugte sich vor und packte den Kupferkessel mit dem Anmachholz. Er leerte das Holz auf den Boden, und es fing fast augenblicklich Feuer.
Abel schrie vor Entsetzen und flehte um sein Leben. »Das können Sie doch nicht machen!«
»O doch, ich kann«, sagte Rapp und ging zur Tür. Er öffnete die massive Holztür und drehte sich nicht einmal mehr um. Die Tür ließ er offen stehen. Durch die Luft würde sich das Feuer vermutlich noch schneller ausbreiten.
Rapp nahm noch einen Schluck von dem Cognac und reichte die Flasche an Coleman weiter. »Ich fahre«, sagte er.
Die anderen Jungs stiegen in den gemieteten Van, während Rapp sich ans Lenkrad von Abels Mercedes setzte. Coleman nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
Der ehemalige SEAL nahm einen Schluck von der 2000 Dollar teuren Flasche und seufzte. »Wohin jetzt?«
Rapp fuhr im Rückwärtsgang von dem Haus weg. »Granada, Spanien«, sagte er.
80
GRANADA,SPANIEN
Rapp blickte zu dem Anwesen auf dem Hügel hinauf, hinter dessen Mauern sich vermutlich der Mistkerl Rashid verbarg. Es war Mittwochnachmittag. Sie waren vergangenen Abend in der 300000 Einwohner zählenden Stadt angekommen und hatten zwei Minivans gemietet. Es galt erst einmal ein Hotel zu finden und ein wenig zu schlafen. Langley hatte bestätigt, was Abel ihnen gesagt hatte – dass Rashid in der spanischen Stadt war, um eine alte Moschee neu einzuweihen, die jahrhundertelang eine Kirche war. Die Zeremonie sollte am Freitag stattfinden. Rapp beschloss, dass sie gleich am nächsten Morgen damit beginnen würden, die Lage zu sondieren.
Es war nicht schwer, das Anwesen zu finden. Es lag mitten auf einem Hügel nördlich der weltberühmten Alhambra. Als Rapp Anfang zwanzig war, hatte er dieses bedeutende Denkmal islamischer Baukunst einmal besichtigt. Die Burg war im 13. und 14. Jahrhundert von den Nasridenherrschern in Granada erbaut worden, den letzten Mauren, die in Andalusien herrschten. Hierher zogen sie sich auch zurück, bevor sie im Jahr 1492 von den Truppen der katholischen Könige besiegt wurden. Laut des Berichts aus Langley hatte Rashid das Anwesen gekauft, als es in sehr schlechtem Zustand war, und einige Millionen Dollar hineingesteckt. Gleichzeitig hatte er alle moslemischen Wahrzeichen renovieren lassen, die er in der Stadt finden konnte. Abel hatte gemeint, dass das alles zu Rashids großem Plan gehörte, Südspanien für die islamische Welt zurückzugewinnen.
Rapp saß hinter dem Lenkrad eines dunkelblauen Minivans. Er blickte auf den Laptop hinunter, der auf der
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