Der Feind
einen günstigen Platz und gab Rapp mit seinem schallgedämpften Scharfschützengewehr Deckung. Rapp arbeitete sich zu dem Punkt vor, an dem die Bäume dem Haus am nächsten waren, von wo er zur Veranda und weiter zur Haustür schlich. Noch bevor er sich das Schloss ansehen konnte, ging plötzlich die Haustür auf, und Abel trat heraus.
Die Abenddämmerung hatte längst eingesetzt. Rapp stocherte mit dem Schürhaken im knisternden Kaminfeuer und ließ das Eisen mit der Spitze in der Glut liegen. Er holte zwei stabile Stühle aus dem Esszimmer und stellte sie vor den Kamin. Coleman setzte Abel auf den einen und den Saudi auf den anderen und fesselte sie an den Unterschenkeln, an der Taille und an der Brust mit Klebeband an die Stühle. Beiden Männern hatten sie die Augen verbunden und sie geknebelt. Keiner der beiden wusste, dass der andere da war. Rapp und Coleman hatten bereits das Haus durchsucht – das einzig Interessante, das sie gefunden hatten, waren jedoch die schwarzen Säcke im Kofferraum von Abels Wagen.
Als Rapp so weit war, bat er Coleman, ihnen Schuhe und Socken auszuziehen, und forderte Wicker, Hackett und Stroble auf, draußen zu warten. Als Coleman fertig war, fragte ihn Rapp, ob er lieber hinausgehen wolle. Coleman verneinte.
Rapp stellte sich mit dem Rücken zum Feuer vor die beiden Männer. Er griff nach dem silbernen Klebeband, mit dem Abels Augen bedeckt waren, und riss es herunter. Zwei Drittel der Augenbrauen blieben an dem Band haften. Abel wollte schreien, doch sein Schrei wurde von dem Band an seinem Mund gedämpft. Rapp riss ihm das Klebeband vom Mund, und Abel begann nach Luft zu schnappen. Rapp riss nun auch dem Saudi das Klebeband von den Augen, und der Mann zuckte kaum zusammen. Der Mann hatte noch keinen Laut von sich gegeben – abgesehen von seinen Schreien in Abels Büro, und auch das hatte er nur getan, damit irgendjemand aus einem angrenzenden Büro die Polizei rief. Rapp sah es ihm an den Augen an, dass er ein treuer Gefolgsmann des radikalen Islamismus war. Es würde Monate dauern, ihn zu brechen, und selbst dann würde es der Saudi wahrscheinlich vorziehen zu sterben. Aus diesem Grund ließ Rapp das Band an seinem Mund.
Rapp hielt ein Telefon hoch und sagte: »Ich habe hier einen Mann am Telefon, der deine KGB-Akte aufmerksam gelesen hat. Er hat Zugang zu jeder Datenbank, die du dir vorstellen kannst. Wir wissen alles über deine Zeit bei der Stasi. Wir wissen, dass du als Köder für schwule Geschäftsleute angefangen hast, die nach Ostdeutschland kamen, und wir wissen von deinen Erpressungsoperationen. Du bekommst nur diese eine Chance, die Wahrheit zu sagen.« Rapp hob den Zeigefinger der linken Hand. »Eine Chance.«
Rapp drehte sich um und nahm den heißen Schürhaken aus dem Feuer. Die Spitze war glühend rot. Rapp hielt das Eisen vor Abels entsetztes Gesicht. »Wir haben schon mit deinem Kumpel hier gesprochen«, sagte er und schwang den Schürhaken zum Saudi hinüber. »Ich glaube, er hat uns belogen. Er hat dir die alleinige Schuld gegeben.«
Der Saudi sah das glühende Eisen stirnrunzelnd an.
Der Schürhaken ging wieder zu Abels Gesicht zurück. Er war immer noch glühend heiß. Abel wandte das Gesicht ab. Rapp nahm den Haken weg und sagte in ruhigem Ton: »Sieh mich an. Wenn ich dich bei einer einzigen Lüge ertappe, dann werde ich das hier mit dir machen.«
Rapp hielt den Schürhaken senkrecht nach unten und stieß ihn dem Saudi mit voller Wucht in den rechten Fuß. Der Körper des Mannes schien die Klebebänder zu sprengen. Coleman trat von hinten zu ihm und hielt ihn fest, damit er nicht mit dem Stuhl umkippte. Rapp riss den Schürhaken wieder heraus und hielt ihn Abel unter die Nase. Ein Stück verkohlte Haut war an der rotglühenden Spitze hängen geblieben, und der abstoßende Geruch von verbranntem Fleisch breitete sich im ganzen Raum aus.
»Eine Chance«, wiederholte Rapp, »mehr bekommst du nicht.«
Mehr war nicht nötig. Zuvor hatte Abel noch gedacht, dass seine größten Fehler waren, den Killern gedroht zu haben und das Geld auf seinen Konten nicht in Sicherheit gebracht zu haben. Nun war er überzeugt, dass sein allergrößter Fehler war, dass er sich je auf Geschäfte mit Prinz Muhammad bin Rashid eingelassen hatte. Abel redete zwanzig Minuten ununterbrochen. Er erzählte davon, wie Rashid ihn hatte holen lassen und das Treffen mit Saeed vereinbarte. Er fügte hinzu, dass das Ganze wahrscheinlich von Anfang an Rashids Idee gewesen sei,
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