Der Feind
Treffpunkt im Albaicin-Viertel.
Rapp hatte die beiden nun etwa eine Dreiviertelstunde beobachtet und wurde allmählich ungeduldig. Das Gespräch schien ganz gut zu verlaufen, doch er fand, dass sie langsam zu einem Abschluss kommen sollten. Endlich schüttelten sie einander die Hand, und Coleman stand auf und kam zum Wagen zurück, während der Brite in die andere Richtung wegging. Coleman stieg ein und signalisierte mit erhobenem Daumen, dass alles in Ordnung war.
»Die Sache ist geregelt«, sagte er.
»War es so einfach?«, fragte Rapp überrascht.
»Higsby hat das mit deiner Frau gelesen. Er lässt dir sein Beileid ausrichten.«
Rapp ließ den Motor an und schwieg.
»Letzten Montag hat er einen Anruf bekommen. Man hat ihm fünfzigtausend Dollar für einen fünftägigen Sicherheitsjob angeboten. Er hat ein acht Mann starkes Team, und Rashid hat ihm ein Flugzeug geschickt. Es hieß, dass er für fünf Tage nach Südspanien kommen solle, um auf einen saudi-arabischen Milliardär aufzupassen. Sie boten ihm zehn Riesen, und jedem seiner Leute fünf Riesen – und das für einen Job, der zunächst wie ein Spaziergang aussah. Aber als sie dann hierherkamen, zeigte ihnen der Leiter von Rashids Sicherheitsteam ein Bild von dir und gab ihnen die Anweisung, dich auf der Stelle zu erschießen.«
»Und, wie hat ihnen das gefallen?«, fragte Rapp, während er sich in den Verkehr einordnete.
»Überhaupt nicht. Einige der Jungs haben im Nahen Osten gedient, und sie haben miterlebt, wie Freunde von ihnen von saudischen Selbstmordattentätern in die Luft gejagt wurden. Sie betrachten dich als Verbündeten und Rashid als Feind. Higsby sagte mir, dass er es fast mit einer Meuterei zu tun hatte.«
»Und – hat er den Job akzeptiert?«
»Ja, er hat sich Sorgen um seinen Ruf gemacht. Keiner von uns verliert gern einen Schützling. Das ist nicht besonders förderlich fürs Geschäft.«
»Hast du ihm das Geld angeboten?« Rapp sprach von dem Geld, das sie in Abels Haus in den Bergen gefunden hatten.
»Hunderttausend Euro. Und die Aussicht, in Zukunft ein paar Aufträge von der amerikanischen Regierung zu bekommen. Das darfst du Irene beibringen.«
Rapp nickte. »Kein Problem, ich kümmere mich darum. Hast du irgendetwas über Rashid erfahren?«
»Er isst heute mit dem Bürgermeister zu Abend. Um sieben Uhr oben in seinem Haus. Higsby meinte, dass er gestern Abend um neun zu Bett gegangen ist. Er dürfte auch heute nicht allzu lange aufbleiben.« Coleman faltete eine Zeitung auseinander. »Er hat mir einen Plan von dem Anwesen gegeben und mir gezeigt, wo er schläft. Er ist sogar bereit, mir eine Uniform zu geben.«
»Gut.« Rapp blickte geradeaus. »Ich gehe allein hinein, sobald der Bürgermeister geht.«
81
Sie saßen da und warteten. Sie beobachteten, wie der Bürgermeister kam – zumindest nahmen sie an, dass er es war. Wer sonst würde mit einer Eskorte der hiesigen Polizei zu Rashids Anwesen kommen? Die Fahrzeuge fuhren kurz vor sieben Uhr abends am Haupttor vor, als die Abenddämmerung hereinbrach und es empfindlich kälter zu werden begann. Sie wussten, dass sie eine Weile zu warten hatten, deshalb besorgten sie sich etwas zu essen und gingen den Plan noch einmal durch. Die Ausrüstung war gepackt, und Hackett wurde zum Flughafen geschickt, um das Flugzeug bereitzumachen, für den Fall, dass sie rasch aufbrechen mussten.
Der Bürgermeister verließ das Anwesen kurz nach neun Uhr, und sie weckten Tayyib aus seinem Schlaf, in den sie ihn mithilfe von Beruhigungsmitteln versetzt hatten. Zuvor hatten sie ihn bereits gewaschen und in frische Kleider und einen neuen Anzug gesteckt. Mit verbundenen Augen wurde er in den Van verfrachtet, wo Stroble nach ihm sah. Rapp saß vorne auf dem Beifahrersitz. Er hatte sich den Bart abrasiert und sein dichtes schwarzes Haar zu einer Stoppelfrisur zurechtgestutzt. Zuletzt hatte er einen blauen Overall angezogen und ein Barett aufgesetzt, sodass er wie Higsby und seine Männer gekleidet war. Coleman und Stroble trugen die gleiche Uniform.
Rapp drehte sich um und sah nach Tayyib, während sich der Van durch die schmalen Straßen schlängelte. Der Mann sah nicht so schlimm aus, wenn man bedachte, was er alles durchgemacht hatte, doch die meisten Wunden wurden von der Kleidung verdeckt. Außer dem zertrümmerten rechten Ellbogen und der Verletzung am rechten Fuß hatte Rapp ihm noch alle Sehnen am linken Handgelenk durchtrennt, sodass die Hand nicht mehr einsatzfähig war und von
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