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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Identität dieses Volkes hinterlassen. Immerhin hatte es ein so vergleichsweise kleines Volk wie die Finnen geschafft, Stalins Rote Armee für drei Monate aufzuhalten, während Frankreich dem Blitzkrieg der Nazis gerade einmal zwei Wochen Paroli bieten konnte. Am Ende konnten die Franzosen ihr Land nur mit massiver Hilfe fremder Armeen zurückerobern, was zusammen mit der langen Besatzung durch die Nazis dem nationalen Stolz einen schweren Schlag versetzte. Immerhin war Frankreich das Land eines Napoleon, der einst Europa beherrscht hatte. In nicht einmal einem Jahrhundert wurde aus einer der führenden Mächte der Welt ein Land, das nicht mehr imstande war, sich gegen einen massiven Angriff zu wehren.
    Die Franzosen waren ein stolzes Volk, und Abel nahm an, dass sie, um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen, die Überzeugung entwickelt hatten, dass Lebensart, Kunst und Kultur wichtiger seien als wirtschaftliche und militärische Macht. Abel schätzte intellektuelle und künstlerische Aktivitäten durchaus nicht gering, aber sie konnten nur auf der Grundlage von sicheren Grenzen und einem starken wirtschaftlichen Motor gedeihen. Er fand, dass die Arbeitsmoral in der Grande Nation immer geringer wurde und dass die breite Masse offenbar erwartete, in jeder Hinsicht vom Staat versorgt zu werden.
    Der ehemalige Stasi-Agent fragte sich, ob man von diesem schleichenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niedergang nicht vielleicht sogar profitieren konnte. War hier etwa mit einem langfristigen Trend auf den Finanzmärkten zu rechnen? Er nahm sich vor, mit einigen seiner Klienten über dieses Szenario und seine möglichen Folgen zu sprechen. Die Dreckarbeit, die er für seine Kunden übernahm, war überaus lukrativ, aber auch sehr gefährlich. In Anbetracht des stattlichen Honorars, das er für den aktuellen Auftrag erhalten hatte, war es vielleicht besser, sich in Zukunft mehr auf ganz legale Aufgabengebiete zu konzentrieren.
    Abel betrachtete die Frau auf der anderen Straßenseite und lächelte. Nein, er machte sich etwas vor. Absolut legale Arbeit würde ihn zutiefst langweilen. Außerdem war die Spionage international gesehen eine der am stärksten wachsenden Branchen, und Abel musste sich eingestehen, dass er zu keinem anderen Berufsstand lieber gehört hätte als zu diesem.
    Wovon er jedoch gern etwas mehr in seinem Leben hätte, war die Gesellschaft von Frauen. Das Problem war jedoch, dass er einerseits zu beschäftigt und andererseits zu wählerisch war. Er mochte Frauen, die intelligent waren, aber nicht weltfremd und abgehoben, die schön waren, aber nicht atemberaubend, selbstsicher, aber nicht zu extrovertiert, und die eine gewisse Art von schlichter Klasse besaßen. Er schätzte außerdem Frauen, die auch die Stille genießen konnten. Nach Abels Ansicht maß man dem Reden generell zu große Bedeutung bei. Er fand, dass in dieser Hinsicht weniger fast immer mehr war.
    Die Frau, die er gerade beobachtete, schien viele seiner Vorlieben zu erfüllen. Sie war von durchschnittlicher Größe, hatte schwarzes, gewelltes schulterlanges Haar, ein ovales Gesicht mit einer leicht nach oben gebogenen Nase und einen reinen hellen Teint. Er wünschte, er könnte ihre Augen sehen, doch sie trug leider eine große schwarze Sonnenbrille, wie sie einst in den Sechzigerjahren von berühmten Schauspielerinnen gern getragen wurden und jetzt wieder in Mode kamen. Ihr Stil war modisch, aber keineswegs übertrieben. Es war die perfekte Tarnung, um sich im Herbst in einer Stadt wie Paris zu bewegen.
    Abel stand neben einem Zeitungskiosk, wo er gerade ein Exemplar der französischen Zeitschrift Nouvel Observateur gekauft hatte. Er war mit einem dunkelbraunen dreiteiligen Anzug bekleidet und trug den Trenchcoat auf dem linken Arm. Abel hatte mit der Frau, die auf der anderen Straßenseite in einem Straßencafé saß, erst einmal gesprochen, und das nur sehr kurz. Sie war höflich gewesen, hatte ihn aber sofort nach einer E-Mail-Adresse gefragt, um das Gespräch auf diese Weise fortzusetzen. Abel kam ihrem Wunsch nach und wartete geduldig an seinem Computer, bis schließlich nach zwei Stunden eine Nachricht von ihr kam. Sie wollte als Erstes von ihm wissen, woher er von ihr gehört hatte. Nachdem er keine Namen nennen wollte, gab er ihr eine Beschreibung von Petrow und ging kurz auf die Aufträge ein, die sie im vergangenen Jahr zusammen mit ihrem Partner für ihn erledigt hatte. Sie stellte ihm noch einige Fragen, um ihn auf

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