Der Feind
aufflogen.«
Irene Kennedy sah ihn fragend an. »Und inwiefern soll heute alles anders sein?«
»Alle, auch und vor allem das Pentagon, arbeiten heute mit irgendwelchen Firmen zusammen; und sie engagieren nicht bloß Ingenieure, um Brücken, Schulen und Spitäler zu bauen. Sie beauftragen Firmen für diplomatische Sicherheit, Lebensmittelaufbereitung, Reinigungsdienste, Transport … und was weiß ich noch alles. Wenn es nicht gerade um bewaffnete Auseinandersetzungen geht, lässt das Pentagon Privatfirmen für sich arbeiten.«
»Scott?«, fragte Irene Kennedy.
»Mein Umsatz ist von ungefähr zwei Millionen im Jahr auf über zwanzig angewachsen.«
»Erzähl ihr von Black Watch«, warf Rapp ein und spielte damit auf die private Sicherheitsfirma an, die einer von Colemans Kameraden bei den SEALs gegründet hatte.
»Sie setzen allein heuer zweihundertfünfzig Millionen in Geschäften mit der Regierung um. Sie haben ein sechstausend Morgen großes Gelände in North Carolina, das zu einer Art Disneyland für Schützen ausgebaut ist. Sie haben eine Übungsstrecke für defensives Fahren, Schießstände, Start- und Landebahnen, Flugzeuge, Helikopter, Mannschaftstransportwagen und vieles mehr. Ihre Ausrüstung wird rund um den Globus eingesetzt. Sie haben sogar einen See angelegt, um SEALs in Unterwasser-Transportfahrzeugen auszubilden.«
»Ihre Philosophie«, warf Rapp ein, »ist, dass sie diese Dinge besser und kostengünstiger leisten können als der Staat.«
»Das ist ja auch nicht schwer.«
»Na ja, aber sie waren die Ersten, die das so richtig versucht haben, und sie haben Erfolg damit.«
Irene Kennedy wusste über Black Watch Bescheid. Die CIA setzte diese Leute ebenfalls ein, um bestimmte Einrichtungen im Ausland zu schützen. Es gab wohl eine Gruppe von Pazifisten in Washington, für die diese Leute nichts als überbezahlte Söldner waren, deren Aktivitäten Amerika noch teuer zu stehen kommen würden. Irene Kennedy hielt solche Ansichten für reichlich naiv und weltfremd, zumal solche Kritiker oft gegen jede Art von Waffengewalt waren.
»Ich will auf Folgendes hinaus«, fuhr Rapp fort, »wir setzen eine Reihe von Firmen ein, um …« Rapp kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, weil in diesem Augenblick die Tür zu Irenes Büro aufging. Als er sich umdrehte, sah er zwei Männer eintreten.
»Bleiben Sie bitte sitzen«, forderte Mark Ross, der neue Direktor der National Intelligence, sie auf. Ross war groß gewachsen und dünn; er war gut gekleidet und vermittelte schon mit seinem Auftreten, eine wichtige Persönlichkeit zu sein. Während er durch das geräumige Büro schritt, folgte ihm ein etwas kleinerer Mann.
Rapp sah die beiden mit kaum verhohlenem Ärger an. Er hatte schon zahllose Sitzungen in diesem Büro hinter sich, bei denen die Türen fest verschlossen waren – und das nicht ohne Grund. Es war das erste Mal, dass es jemand wagte, einfach so in das Büro der Direktorin der CIA einzudringen.
»Irene, tut mir leid, dass ich so hereinplatze, aber ich war gerade in der Gegend und dachte mir, ich schau mal kurz vorbei«, erläuterte Ross und wandte sich Rapp zu. »Mitch«, sagte er und legte ihm die linke Hand auf die Schulter, während er die rechte ausstreckte. »Freut mich, Sie wieder mal zu sehen.«
Rapp nickte. Er hatte den neuen Oberboss des gesamten Geheimdienstwesens erst zweimal getroffen, beide Male in der Zeit, als Ross noch dem Senat angehört hatte. Irene Kennedy hatte ihn ermahnt, ihrem neuen Chef höflich zu begegnen. Rapp war jedoch aufgefallen, dass Irene Kennedy selbst sehr reserviert war, was den ehemaligen Senator betraf. Sie erklärte ihm, dass das nichts mit seiner Person zu tun habe, sondern nur mit seinem neuen Job. Niemand in Washington wusste genau, wie sich das neue Amt des Direktors der National Intelligence entwickeln würde, und diese Unsicherheit führte zwangsläufig zu Machtspielen. Das politische Hickhack interessierte Rapp jedoch viel weniger als die Frage, wer Ross war und was er im Sinn hatte. Falls er vorhatte, die Arbeit der Geheimdienste zu politisieren, so würden sie beide mit Sicherheit aneinandergeraten.
Fest stand jedenfalls, dass Ross in Fragen der nationalen Sicherheit gut beschlagen war und dass er die Fähigkeit besaß, Leute zu motivieren. Für ihn sprach auch, dass er nach seinem Studienabschluss in Princeton im Direcorate of Intelligence der CIA gearbeitet hatte. Damals verfasste er auch einen Bericht über eine religiöse Randfigur im Iran,
Weitere Kostenlose Bücher