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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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und die beiden Bodyguards gingen zu den Aufzügen hinüber. Ross blieb stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte nachdenklich zu Irene Kennedys Büro zurück. Als die Aufzugtür aufging, flüsterte er Gordon zu: »Ich möchte, dass Sie diesem Mr. Coleman ein wenig auf den Zahn fühlen. Finden Sie so viel wie möglich über ihn heraus.« Ross trat in den Aufzug.
    »Bin schon dabei«, antwortete Gordon und zog einen Palm Pilot hervor, um sich gleich an die Arbeit zu machen.
    Ross starrte auf die Rücken der beiden breitschultrigen Leibwächter und neigte sich erneut zu seinem Assistenten hinüber. »Rapp macht mich auch so schon nervös genug«, flüsterte er ihm zu. »Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden in der Stadt gibt, der ihn im Zaum halten kann.«
    »Nicht einmal der Präsident?«
    »Der schon gar nicht. Rapp hat ihm zweimal das Leben gerettet. Sie erinnern sich ja noch an Valerie Jones, die Stabschefin des Präsidenten, die vergangenen Sommer zurückgetreten ist, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Das war Rapp. Er und Jones waren wie Hund und Katze … ich meine, sie haben sich wirklich gehasst. Rapp hat den Präsidenten vor die Wahl gestellt – er oder sie, und der Präsident hat sich für ihn entschieden.«
    Gordon wirkte beeindruckt. »Ich habe gehört, dass der Mann sehr gut in dem ist, was er tut.«
    »Das ist er auch. Verstehen Sie mich nicht falsch, er ist der Beste überhaupt – aber solche Leute muss man an der kurzen Leine halten. Nein, was sage ich – man muss sie im Keller in einem Käfig halten, und herauslassen darf man sie nur, wenn man einen Mörder im Haus hat.«
    »Na ja, er sieht mir nicht so aus, als würde er sich so einfach in einen Käfig sperren lassen«, erwiderte Gordon.
    »Genau da liegt das Problem, mein Freund. Wir müssen diese ganzen verdammten Agencies an die Kandare nehmen, die sich, nebenbei bemerkt, untereinander sowieso nicht ausstehen können. Wir müssen sie so weit bekommen, dass sie das tun, was ich von ihnen will. Es muss jeder nach denselben Noten spielen und sich nach dem Dirigenten richten, nach mir. Es geht nicht an, dass Rapp wie ein schießwütiger Cowboy durch die Gegend rennt und tut, was ihm gerade gefällt.«
    Die Aufzugtüren gingen auf. »Es gibt Leute hier in der Stadt, Jonathan, denen wäre es ganz recht, wenn ich auf die Nase falle. Leute, die viel dafür geben würden, mich scheitern zu sehen, aber den Gefallen will ich ihnen nicht tun. Rapp macht mich nervös, und wenn Sie schon nicht wissen, wie wir ihn in einen Käfig bekommen, dann lassen Sie sich wenigstens etwas einfallen, wie wir ihn an die Leine legen können.«
    Sie traten aus dem Aufzug und schritten den Gang hinunter. »Und sammeln Sie Fakten über diesen Klugscheißer Coleman. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er und Rapp irgendetwas Gutes im Schilde führen.«

12
PARIS, FRANKREICH
    Erich Abel lehnte sich gegen einen Laternenmast und betrachtete die hübsche Frau, die auf der anderen Straßenseite saß. Er war früh gekommen, um sich in der Gegend umzusehen und sich zumindest zwei mögliche Fluchtwege einzuprägen. Er hatte auch ein paar Kleinigkeiten eingekauft – eine Geschenkkarte und einen teuren Füller. Der Aufenthalt in den Geschäften hatte ihm auch die Möglichkeit gegeben, sich zu vergewissern, dass ihm niemand folgte. Die Geschenkkarte würde im Müll landen, doch den Füller würde er behalten. Der kostbare Montblanc-Füllfederhalter würde das sechsundfünfzigste Stück in seiner Sammlung sein.
    Er bezweifelte, dass er heute Nachmittag irgendetwas zu befürchten hatte, doch eiserne Disziplin war für einen Spion überlebenswichtig. Disziplin sowie die Fähigkeit, mit der Langeweile umzugehen. Die Wahrheit über die Spionagetätigkeit war, dass über neunzig Prozent davon reine Routine war. Die meiste Zeit stand man einfach nur herum und wartete. So wie jetzt gerade, wenngleich er sich mit den neu erworbenen Millionen um einiges sicherer fühlte, als er eigentlich sollte. Ihn erstaunte jedoch, dass er hier in einer der schönsten und lebendigsten Städte der Welt ein Gefühl der Melancholie verspürte. Er dachte sich, dass das vielleicht daher rührte, dass er schon vor einiger Zeit zu der Überzeugung gekommen war, dass die französische Nation ihre größten Momente wohl schon hinter sich hatte.
    Die erstaunliche Unfähigkeit, sich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gegen den Angriff der Deutschen zu wehren, hatte wohl eine bleibende Narbe in der

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