Der feine Unterschied
Gruppe, ich steuere ein Kopfballtor gegen England bei, dann stehen wir im Finale. Im Finale — das einzige Spiel, in dem ich nicht aufgestellt werde - treffen wir auf Spanien und verlieren 0:1. Torschütze: ein gewisser Fernando Torres. Es wird Momente in meiner Karriere geben, in denen mir dieses Spiel wieder einfallt.
Der Sprung aus der Jugend zu den Profis eines Vereins ist immer schwierig. Im Profifußball gelten andere Gesetze als in den Jugendklassen. Während im Nachwuchs in jeder Saison die Besten des nächsten, jüngeren Jahrgangs nachrücken, besorgen sich die Trainer der Profimannschaften ihre Wunschspieler auf dem Transfermarkt.
Beim FC Bayern ist es besonders schwierig, aus der eigenen Jugend zu den Profis vorzurücken. Für den FC Bayern ist es eine Sache der Klubphilosophie, dass die besten Spieler Deutschlands nach München geholt werden. Ein Spieler aus der eigenen Jugend muss also schon besonders auffällig sein, um seine Chance zu bekommen.
Aber es muss ja nicht gleich beim FC Bayern sein. Mit mir stehen andere Spieler in der Mannschaft, die auch ihre Chance wittern. Piotr Trochowski zum Beispiel, Zvjezdan Misimovic, Markus Feulner, Florian Heller. Mehrere von uns spielen in der Jugendnationalmannschaft. Alle verfolgen konzentriert das Ziel, bessere Fußballer zu werden. Wenn ab und zu in der Lokalpresse ein Artikel über Nachwuchsfußball erscheint, heißt es darin, dass an der Säbener Straße vielleicht eine goldene Generation heranwächst. Damit meinen die uns.
Auf dem Trainingsgelände des FC Bayern gibt es zahlreiche Plätze. Die vorderen, dem Klubgebäude zugewandten sind den Profis Vorbehalten. Hinten, weiter weg von den Kabinen, trainieren Amateure und Jugend.
Es kommt immer wieder vor, dass die Profis im Training noch jemanden brauchen. Dann kommt der Assistenztrainer um den Zaun herum und bittet Hermann Gerland, den Cheftrainer der Amateurmannschaft, einen Spieler rüberzuschicken.
Gerland weiß, dass diese Möglichkeit harte Währung für uns ist. Wer bei den Profis mitspielen darf, profitiert gleich doppelt. Erstens kann er sich von Effenberg, Elber & Co. etwas abschauen, zweitens hat er die Chance, beim Cheftrainer ein Gesichtsbad zu nehmen, und wer weiß, vielleicht, eines Tages ...
Eines Tages sind bei den Profis gerade einmal sieben Spieler und zwei Torhüter anwesend. Alle anderen sind bei ihren Nationalmannschaften. Ein Assistenztrainer kommt um den Zaun: »Ich brauche einen Spieler, Tiger.« Um zwei gleich große Mannschaften bilden zu können, brauchen sie noch einen Spieler.
Hermann Gerland, den alle den »Tiger« nennen, zeigt auf mich.
Wir spielen vielleicht fünf Minuten fünf gegen fünf, als sich ein Spieler verletzt und in die Kabine muss. Der Trainer sagt Danke zu mir, aber jetzt braucht er mich nicht mehr.
Als ich zurück zu den Amateuren gehe, haben die gerade ein Spiel laufen: acht gegen acht. Der Tiger sieht mich und fragt: »Was machst du hier?«
Ich erzähle, was passiert ist, und frage: »Kann ich mitspielen?«
»Nein«, sagt Gerland. »Wir brauchen gerade keinen.«
Es ist schwer an der Schwelle zwischen Amateuren und Profis.
Eines Tages fragt mich Markus Husterer, ob ich schon einen Berater habe. Markus ist mit 15 zum FC Bayern gekommen. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und sind bis heute befreundet.
»Nein«, sage ich. »Wieso?«
Markus stellt die Gegenfrage: »Kennst du dich mit Verträgen aus? Weißt du, wie viel der Verein für einen Vertragsamateur bezahlt?«
Das weiß ich nicht, und mit Verträgen kenne ich mich auch nicht aus.
Also macht Markus einen Termin mit dem Mann aus, der seit Kurzem sein Berater ist. Wir gehen eine Pizza essen, und ich habe einen ganz guten Eindruck. Der Mann wirkt kompetent und freundlich. Beim nächsten Treffen, denke ich mir, machen wir alles klar.
Am nächsten Tag beim Training erzähle ich einem unserer Betreuer vom Treffen mit Markus’ Berater.
»Aha«, sagt der. »Aber hast du schon mal mit dem Roman geredet?«
Roman, unser Trainer, hat begonnen, junge Spieler zu beraten.
»Ich mach mal was aus für dich. Sprich mit Roman, bevor du deine Entscheidung triffst.«
Ich treffe also Roman, Ihn kenne ich schon lange, ich weiß, wie er über Fußball denkt, wie er Fußball spielen lässt. Zu ihm habe ich Vertrauen, und wir werden schnell einig. Wir geben uns die Hand, dann ist er mein Berater. Einen Vertrag brauchen wir nicht. Bis heute gibt es zwischen uns keine schriftliche Vereinbarung.
Am nächsten
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