Der feine Unterschied
verändert sich, sie verströmt kompakte Energie. Eine leidenschaftliche Mannschaft ist schwer zu biegen, denn sie bügelt die Fehler, die jedem Einzelnen passieren können, durch besonderen Einsatz aus. Das spürt nicht nur der Gegner, der sich auf jeder Position unter Druck gesetzt fühlt. Die Botschaft kommt genauso bei jedem Spieler der eigenen Mannschaft an. Die Leidenschaft deines Mitspielers ist eine Aufforderung, selbst über dich hinauszuwachsen. Komm in die Puschen, Mann! Einzelne Spieler, die das Spiel mit Seele und Energie an sich reißen, bringen auf diese Weise eine ganze Mannschaft ins Rollen. Ihr Einsatz ist eine Botschaft an alle anderen, die Zügel nicht schleifen zu lassen. Sie prägen für einen Augenblick den Charakter der ganzen Mannschaft.
Es ist nicht leicht, jedes Spiel leidenschaftlich anzugehen. Wir spielen pro Saison 65 Partien, und ich müsste lügen, wenn ich sage, dass mir jedes dieser Spiele gleich wichtig wäre. Eine Champions-League-Partie gegen einen starken Gegner, Flutlicht in der Allianz-Arena und 66.000 Menschen, die schon lange vor dem Anpfiff singen und großartige Choreografien zeigen: wie könnte ein Profi da ohne Emotionen ins Spiel gehen? An solchen Abenden wecken bereits die äußeren Umstände unsere Leidenschaft, durchfluten Körper und Geist, schicken uns hellwach aufs Feld.
Umgekehrt ist der Alltag in der Liga nicht weniger wichtig. Wir werden von unseren Klubs gut dafür bezahlt, dass wir jedes Pflichtspiel so gut wie möglich bestreiten. Jeder von uns ist Profi geworden, weil er ehrgeizig ist, weil er gewinnen will, nicht nur jedes Spiel in der Champions League, auch jedes Spiel in der Bundesliga, und wenn ich für mich spreche, dann auch jedes Spiel im Training.
Du gehst also aufs Feld, hast Lust, bist heiß und willst jeden Zweikampf gewinnen. Das ist gut. Aber deine Mitspieler sind bei ihren Zweikämpfen zu spät dran, schon früh landet ein unpräziser Pass im Aus, und die Mannschaft, die in der Vorwärtsbewegung war, wird gestoppt, muss zurück, kommt aus dem Takt.
Es sind diese Momente, die darüber entscheiden, ob ein Spiel zum Erfolg oder Misserfolg wird.
Schafft es die Mannschaft, sich zu straffen und mindestens so viel Leidenschaft aufzubringen wie der Gegner? Das ist für uns beim FC Bayern sozusagen der psychologische Urmeter jedes Spiels, denn die individuelle Qualität unserer Spieler ist so hoch, dass wir jedes Spiel gewinnen können.
Aber das ist nur Theorie. Denn selbst Mannschaften aus unteren Spielklassen können mit leidenschaftlichem Spiel Teams besiegen, die auf jeder einzelnen Position besser besetzt sind. Es ist kein Zufall, dass im DFB-Pokal immer wieder Mannschaften aus der zweiten, manchmal auch aus der dritten Liga unerklärlich weit kommen: es ist die Leidenschaft dieser Teams, die Bereitschaft, mehr zu geben, als sie haben. Dagegen hilft es manchmal auch nichts, erstklassig Fußball spielen zu können. Dann ist Fußball mehr als einfach nur Fußball.
Daher trainieren wir nicht nur Spielzüge und Fitness, sondern auch Leidenschaft. Natürlich kann man Leidenschaft nicht isoliert trainieren. Aber man kann daran arbeiten, zu jeder Zeit voll bei der Sache zu sein, mit dem nötigen Einsatz von Körper und Geist Fußball zu spielen. Großer Einsatz schärft die Wahrnehmung, und ein kompetenter Trainer sieht jeden kleinen Fehler, nimmt jede Konzentrationsschwäche wahr und weist den Spieler an, hellwach zu sein, sobald er Fußball spielt, und weder während einer Trainingseinheit noch während eines Spiels diese Aufmerksamkeit zu verlieren. Natürlich sollte Konzentration selbstverständlich sein, aber manchmal braucht jeder Profi eine Erinnerung.
»Was ist das für ein Ball«, ruft der Trainer, »was soll das für ein Pass sein?« Oder er unterbricht und erklärt dem Spieler, der das Spiel eröffnen sollte, dass sein erster Ballkontakt schlecht war und deshalb der ganze Spielaufbau im Eimer ist. So geht das ständig. Der Trainer will, dass wir hundert Prozent bei der Sache sind, er spornt uns an und kritisiert, er stellt sicher, dass sich keiner hängen lässt. Spieler, die im Training nicht bei der Sache sind, kann kein Trainer brauchen, sie laufen Gefahr, dass sie nicht eingesetzt werden. Der Trainer erreicht mit dieser entschlossenen Aufmerksamkeit, mit seinem fast schon manischen Hang zum perfekten Passspiel, dass jeder von uns aggressiv und konzentriert trainiert, damit Präsenz und Aggressivität automatisiert ins Spiel
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