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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philpp Lahm
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kriegen auch Chancen. Mario Gomez setzt einen Kopfball knapp neben das Tor. Basti Schweinsteiger schießt aus 17 Metern wundervoll aufs Tor, aber van der Sar im Tor von United zeigt, dass man auch im hohen Alter noch fantastisch Fußball spielen kann. Der Mann ist fast vierzig! Der kann doch solche Bälle nicht mehr halten!
    Wir spielen unseren besten Fußball. Sind dominant. Arbeiten eine Chance nach der anderen heraus. Es geht noch etwas mehr als eine Viertelstunde, und ich bin noch immer seltsam ruhig, habe nicht das Gefühl, dass wir das Tor, das wir zum Aufstieg brauchen, nicht schießen könnten.
    Eckball von links. Während sich fast alle Spieler rempelnd und kratzend im Strafraum tummeln, spielt Franck den Ball auf die rechte Strafraumecke, dort steht Arjen und erwischt den Ball, wie man den Ball einmal im Leben erwischt, es macht einen Knall und der Ball hat in der langen Ecke eingeschlagen.
    3:2.
    Das genügt.
    Manchester United hat mit zehn Mann nicht mehr die Kraft, noch einmal zurückzukommen. Schlusspfiff. Wir stehen im Halbfinale der Champions League. Ich kann die Augen zumachen und spüre, wie sich das anfühlt. Es fühlt sich gut an. Erfolg fühlt sich richtig gut an, und Leidenschaft ist der Schlüssel zu diesem Erfolg.
    Aber das gilt auch umgekehrt. Ohne Leidenschaft ist die beste Mannschaft nicht gut genug, um große Spiele zu gewinnen. Das erleben wir mit der Deutschen Nationalmannschaft bei der EM 2008 in allen Facetten.

    8. Kapitel
    ZEIT FÜR KLARTEXT
    Scheitern auf höchstem Niveau. Die EM 2008
    Ordnung in der Mannschaft — warum Veränderungen beleben — was Solidarität auf dem Platz bedeutet — Sympathie und Antipathie zu Mitspielern - Erfolg als Problemloser - warum Harmonie hilft
    Die EM in Österreich und der Schweiz beginnen wir mit einem souveränen 2:0 gegen Polen in Klagenfurt. Wir sind nie in Gefahr, Punkte abzugeben. Ich spiele auf meiner Lieblingsposition als rechter Verteidiger. Die Abwehr steht gut, und vorne bringt uns Lukas Podolski mit zwei Toren in die Spur.
    Das ist einmal ein Anfang. Wir haben uns zwar souverän für die EM qualifiziert, aber von der überragenden Stimmung der Heim-WM 2006 ist nicht viel übrig geblieben. In unserer Gruppe sind wir nur Zweiter hinter Tschechien geworden, das Heimspiel gegen die Tschechen haben wir sogar ziemlich blamabel 0:3 verloren. Irgendwie steht die Mannschaft nicht so unter Strom, wie das vor einem großen Turnier eigentlich selbstverständlich sein sollte. Umso wichtiger der gute Einstand in Klagenfurt.
    Unsere weiteren Gruppengegner auf dem Weg ins Viertelfinale sind Kroatien und Österreich. Das musst du als Deutsche Nationalmannschaft im Normalfall ohne zu wackeln schaffen.
    Aber ein Spaziergang wird es nicht. Das müssen wir nur ein
    paar Tage später zur Kenntnis nehmen. Gegen Kroatien liegen wir zur Pause 0:1 im Rückstand. Eine Niederlage gegen die Kroaten würde uns unter Zugzwang setzen, wir müssten dann im dritten Gruppenspiel gegen Österreich unbedingt punkten. Das scheint zwar machbar, aber man weiß ja nie, wozu eine Heimmannschaft mit dem eigenen Publikum im Rücken fähig ist. Vielleicht kommen die aus der Kabine und sind plötzlich Brasilien. Ich war schon einmal dabei, wie eine Deutsche Nationalmannschaft nach der Vorrunde die Koffer gepackt hat, 2004 in Portugal, bei meinem ersten großen Turnier. Kein Bedarf, das noch mal zu erleben.
    Der Bundestrainer reagiert in der Halbzeit. Wir sind so schlecht, dass er ein Zeichen setzen muss, etwas Drastisches ändern, einen Eingriff vornehmen, der unser Spiel von Grund auf ändert. Denn eines ist klar: In der Verfassung, in der wir heute sind, wird ohne Neustart gar nichts gehen.
    Jogi Löw nimmt Marcell Jansen, den linken Verteidiger, vom Platz und sagt zu mir: »Du wechselst nach links, Philipp.«
    Nicht ideal, denke ich mir, aber wenn's denn sein soll. Während eines Spiels die Position von der einen auf die andere Seite zu verändern, ist etwa so anspruchsvoll, wie mit einem linksgesteuerten Auto im dichten Berufsverkehr von London ausgesetzt zu werden.
    Unser Spiel ändert sich tatsächlich, aber es wird nicht besser. Wir spielen immer noch schlecht. Wir sind nicht auf einer Position schlecht, wir sind heute auf jeder Position schlecht. Wenn ein Spieler einen schlechten Tag hat, kann eine solidarische Mannschaft das ausgleichen. Aber solidarisch sind wir schon gar nicht. Ein Durcheinander und Gemecker auf dem Platz, aber keine ordnende Energie, die den Spielern

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