Der feine Unterschied
Platz entgegen. Schon unter der Dusche merke ich, wie die Last der vergangenen fünf Wochen von mir abfällt und mich eine zufriedene Erschöpfung durchströmt.
Abends feiern wir, unsere Frauen und Familien sind da, und das Bier, das vor mir steht, ist gut gezapft.
Es ist ein schönes Bier. Morgen fahren wir nach Berlin auf die Fanmeile, um den Fans symbolisch Danke zu sagen, Xavier Naidoo wird auch dort sein und viele, viele tausend Menschen. Abends werden wir zurück nach München fliegen, und dann, nach noch einer kurzen Nacht, wird der Urlaub anfangen und der Wecker morgens nicht läuten.
7. Kapitel
WAS IST DAS FÜR EIN BALL?
Wie ein Spieler mit Leidenschaft eine ganze Mannschaft mitreißen kann
Wie eine Mannschaft funktioniert — was ist Leidenschaft auf dem Platz— wie wirst du zum leidenschaftlichen Spieler—wie man Leidenschaft trainiert — wie Respekt und Autorität entstehen — was Selbstbewusstsein bewirkt - wie ein Spiel kippt
Fußball ist ein einfacher Sport, jeder versteht die Regeln. Okay, fast jeder, mit der Abseitsregel haben nicht nur die Omas junger Spieler, sondern auch manche Linienrichter ihre Mühe, aber im Grunde liegt der Erfolg unseres Spiels an der einfachen Gleichung: wer mehr Tore macht, hat gewonnen.
Aber dann wird es auch schon kompliziert.
Fußball ist ein Mannschaftssport. Elf Spieler auf dem Platz, ein Ziel, das gegnerische Tor. Hier beginnen die Probleme. Denn eine Mannschaft besteht nicht nur aus den Spielern, die bei Anpfiff des Spiels auf dem Platz stehen. Profiklubs wie der FC Bayern beschäftigen zwischen 22 und 30 Profis, und für den Fall, dass dieses Personal nicht ausreicht, stehen weitere 30 Jugendspieler und Amateure Gewehr bei Fuß, um zu zeigen, dass auch sie Fußball spielen können.
Ein guter Trainer weiß die Kräfte, die ihm zur Verfügung stehen, zu bündeln - oder umgekehrt: ein gutes Team repräsentiert eine Spielweise, die der Trainer jeweils verfeinert und ideal besetzt. Der Spieler geht im modernen Fußball also mit einer genau definierten Aufgabe auf den Platz. Er weiß, was er tun muss, wenn die eigene Mannschaft in Ballbesitz ist. Er kennt die Spielweise und die Laufwege aller Mannschaftskollegen. Er weiß, wer welche Stärken hat und wer welche Schwächen. Er kennt den Gegner. Er weiß, womit er zu rechnen hat, wenn der Gegner angreift. Er hat eine sehr genaue Vorstellung davon, was auf dem Platz passieren muss, damit die eigene Mannschaft Erfolg hat.
Guter Fußball ist also berechenbar - bis zu einem gewissen Grad. Mannschaften, deren einzelne Spieler mehr Qualität haben als die des Gegners, gewinnen in der Regel das Spiel. Oder sagen wir so: sie würden neun von zehn Spielen gewinnen, wenn in einer Serie so lange gegeneinander gespielt würde, dass statistische Abweichungen ausgeschaltet werden könnten. Aber natürlich sind es genau die Ausnahmen von der Regel, die den Fußball so interessant machen. Denn unter dem Strich jedes einzelnen Spiels zählen nicht nur die Fähigkeiten der auflaufenden Akteure, sondern auch die Faktoren Glück, Zufall und Leidenschaft.
Glück und Zufall lassen sich nicht steuern. Leidenschaft hingegen ist die Eigenschaft, die im ausgeglichenen Wettkampf den Unterschied machen kann.
Leidenschaft ist eine Emotion, die Energien freisetzt, von denen man gar nicht wusste, dass man über sie verfugt. Mit seiner Leidenschaft kann ein Spieler - ein Spieler ganz allein — die Leistung der ganzen Mannschaft hochziehen.
Leidenschaft ist keine Frage der technischen Fähigkeiten eines Spielers - wie gut er den Ball annimmt, wie präzise er zum nächsten frei stehenden Kollegen weiterpasst, wie virtuos er einen schwierigen Ball aufs Tor lenkt, während drei Verteidiger ihn gerade in den Boden stampfen wollen —, sondern ein Produkt seines Charakters, seiner Hingabe an die Mannschaft und den Fußball. Leidenschaft äußert sich darin, dass man Dinge tut, die andere Spieler nicht tun. Der leidenschaftliche Spieler gibt einen Ball, der verloren scheint, nicht auf, sondern sprintet ihm nach, und wenn er Glück hat, erreicht er ihn noch, hält ihn im Spiel, in der Mannschaft, und er erobert damit nicht nur den Ball für das Team, sondern er setzt auch ein Zeichen: schaut mich an, es geht, wenn wir nur wollen, wenn wir mit ganzem Einsatz dabei sind.
Solche Momente stärken eine Mannschaft, verändern ihre Aura. Leidenschaft macht ein Team schneller, entschlossener, steigert seine Spannkraft. Die Ausstrahlung der Mannschaft
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