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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philpp Lahm
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mitgenommen werden. Das ist nicht unbedingt ein großer Spaß, aber so muss eine Mannschaft geführt werden.
    Ich bin in der Regel ein konzentrierter Spieler, aber auch mir passiert es manchmal, dass ein leichter Ball viel zu weit vom Fuß wegspringt. Das ist ein Alarmzeichen für mich, und mein Routinezentrum im Gehirn sendet augenblicklich die Botschaft aus: Konzentration, jetzt! Der Fehler betrifft schließlich nicht nur mich. Wenn der Ball ins Aus kullert, kriegt die ganze Mannschaft die Botschaft mit, hey, Philipp ist heute nicht bei der Sache.
    Logisch, dass Fehler jedem von uns passieren. Aber als Führungsspieler, als Spieler, der so viele Einsätze hat wie kaum ein anderer in der Mannschaft, hast du eine besondere Verantwortung, hast du einfach konzentriert zu sein. Punkt. Schließlich ist die eigene Leistung, die Konstanz der Leistung, die du in jedem Spiel ablieferst, die Grundlage für deinen Platz in der Hierarchie der Mannschaft. Nur die konstante Leistung verleiht dir die Autorität, deinen Mitspielern Anweisungen zu geben. Nur dann steht es dir zu, für die Mannschaft als Ganzes zu denken, zu sprechen und zu agieren.
    Der Erfolg einer Mannschaft funktioniert wie eine Pyramide. Die Grundlage ist die Leistung der einzelnen Spieler. Darauf baut die Sicherheit der Mannschaft auf, und nur wenn eine Mannschaft sich sicher fühlt, wird sie in kritischen Momenten nicht an sich zweifeln. Dann verwandeln sich Leistung, Leidenschaft und Sicherheit in einen Lauf: in messbare, nachweisbare Erfolge.
    Borussia Dortmund war in der Saison 2010/2011 zeitweise ein Beispiel dafür. Dortmund spielt einen Stil, der von Euphorie geprägt ist. Das ist ein großer Unterschied zu den großen Mannschaften wie Barcelona oder Manchester United, bei denen taktisch alles im Detail durchdacht wird. Es war interessant zu sehen, wie die Mannschaft von Dortmund, die individuell mit Sicherheit nicht so gut besetzt ist wie der FC Bayern, mit jedem Spiel an Sicherheit gewann. Ich hatte den Eindruck, dass jeder einzelne Spieler Selbstvertrauen und Sicherheit ausstrahlte, das Passspiel funktionierte, kein Zweifel störte die Entscheidungen der Spieler. Alles passierte natürlich, pünktlich und präzis. Auch Gegentore störten die Mannschaft nicht. Die Spieler waren sich einfach sicher, dass sie jedes Spiel, auch wenn sie im Rückstand lagen, noch umdrehen können - und so geschah es auch in vielen Spielen. Ich kenne diese Situation aus mehreren Läufen, die ich mit dem FC Bayern erlebte: du weißt einfach, dass du deine Chance bekommst, und du weißt, dass du sie nutzen wirst.
    Und was du weißt , geschieht auch. Eckball oder Freistoß, Flanke vors Tor, Lücke, Treffer. Dann kippt das Spiel, man gewinnt nach Rückstand und geht mit noch mehr Selbstbewusstsein vom Platz, als man beim Anpfiff hatte.
    Wir hingegen schlugen uns in der Saison 2010/2011 unter Louis van Gaal mit dem entgegengesetzten Phänomen herum. Ich erinnere mich gut an das beispielhafte Auswärtsspiel gegen Borussia Mönchengladbach in der letzten Hinrunde. Die Spielzeit hatte nicht so begonnen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir hatten viele Verletzte, Arjen Robben zum Beispiel konnte die ganze Hinrunde nicht spielen. Wir spielten anständige Spiele, bekamen aber viel zu oft blöde Tore oder konnten die Chancen, die wir herausspielten, nicht in Tore umwandeln.
    In Mönchengladbach scheint uns der Befreiungsschlag zu glücken. Gladbach steht unten in der Tabelle, wir kämpfen um den Anschluss an die Spitzengruppe. Wir spielen eine Halbzeit lang überragend. So wie wir das trainiert haben, mit Leidenschaft und Spaß, und obwohl wir wieder einmal viele Chancen vergeben, fuhren wir 2:1, was das Kräfteverhältnis nicht annähernd widerspiegelt.
    Kurz vor der Pause Elfmeter für uns. Ich habe das Gefühl -nein, ich weiß -, dass wir Gladbach wegschießen, wenn der Elfmeter sitzt. Aber Basti Schweinsteiger setzt den Ball an den Pfosten, und selbst in den zwei Minuten, die noch bis zur Pause bleiben, ist zu spüren, wie Gladbach wieder kommt, wie sie Hoffnung schöpfen, wie ihnen bewusst wird, dass sie gegen den FC Bayern nur mit einem Tor im Rückstand liegen statt mit zwei, dass ein Spiel, das schon gekippt war, doch noch zu schultern sein könnte, es geht schließlich nur um ein Tor, ein Tor, und man ist wieder im Spiel.
    In der Pause sagt der Trainer: Super gespielt, meine Herren, jetzt bloß dranbleiben, dann machen wir unsere Tore schon noch.
    Aber mit dem verpatzten

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