Der feine Unterschied
etwas zum Anhalten gibt.
Wenn die Deutsche Nationalmannschaft auf jeder Position unter Niveau spielt, dann bekommt eine schlechtere Mannschaft mit guten Einzelspielern plötzlich ihre Chancen. Die Kroaten haben gute Einzelspieler: Daro Smija zum Beispiel, der hat uns den ersten reingemacht. Ivica Olic, der macht uns in der 62 . Minute den zweiten rein.
Wir holen zehn Minuten vor Schluss durch Podolski ein Tor auf, und um ein Haar hätten wir knapp vor Schluss noch den Ausgleich gemacht. Aber wir haben nicht die Energie, das Spiel wirklich noch zu drehen. Die Mannschaft tritt nicht als Mannschaft auf. Jeder braucht seine Energie, um sich selbst am Laufen zu halten, für die Mannschaft ist nichts mehr übrig. Als der Schiedsrichter abpfeift, stehen wir genau vor der Situation, die wir unbedingt vermeiden wollten. Wir müssen im letzten Gruppenspiel gegen Österreich punkten.
Die österreichische Mannschaft ist am selben Abend in ihrem Spiel gegen Polen fast schon ausgeschieden, bekommt aber in der letzten Minute einen Elfmeter geschenkt. Nach dem 1:1 heißt es dann plötzlich im ganzen Land: Jetzt hauen wir die Deutschen weg und sind weiter. Alle reden von Córdoba. Córdoba? Wir spielen doch in Wien.
Eines ist klar: Wenn wir auch gegen Österreich als der zerstrittene Haufen auftreten, der wir gegen Kroatien waren, müssen wir uns über die K.o.-Phase dieser EM keine Gedanken mehr machen. Ältere Spieler scheißen junge Spieler auf dem Platz zusammen. Statt füreinander in die Bresche zu springen, zieht einer den anderen runter, lässt das falsche Wort zur falschen Gelegenheit fallen, zeigt mit demotivierender Körpersprache, dass er nicht mehr kann und, schlimmer noch, dass er nicht hundert Prozent geben will, und das reicht nicht auf diesem Niveau.
Wir müssen reden.
Am nächsten Tag setzen wir uns zusammen, nachdem der Frust, der uns in der Kabine zu ein paar hässlichen Dialogen verleitet hat, fürs Erste weggeschlafen ist.
In unserem Sitzungsraum setzen wir uns auf einen Kreis aus Stühlen. Alle Spieler sind da. Die, die kritisiert wurden, und die, die kritisiert haben und dafür kritisiert wurden. Zeit für Klartext.
Die Luft vibriert immer noch von negativer Energie. Manche Spieler machen kein Hehl aus ihrer Abneigung gegen andere. Aber es wird nichts ausgesprochen.
Erfolg ist für uns Profis der entscheidende Faktor. Das gilt für jeden von uns, ob er den anderen jetzt mag oder nicht. Alle Streithanseln wissen, dass sie auch die Spieler brauchen, die ihnen furchtbar auf die Nerven gehen, um eine erfolgreiche EM spielen zu können.
Wir können uns zu diesem Zeitpunkt nicht mit Befindlichkeiten aufhalten. Wir müssen uns aufs Sachliche besinnen. In aller Offenheit werden die Versäumnisse aus dem Kroatien-Spiel benannt, und wir ziehen jetzt besser schnell unsere Schlüsse daraus.
Ais wir nach der Sitzung aufstehen, sind die Probleme nicht gelöst, aber wenigstens ist die Marschrichtung klar. Alle wissen, welche Aufgabe sie zu erfüllen haben, wenigstens in der Theorie. Alle wissen, dass sie ihre Antipathien wegstecken müssen. Vieles, was vorher zu spüren gewesen war, ist ungesagt geblieben, denn zu viel Ehrlichkeit bringt dich in einer Mannschaft auch nicht weiter. Keiner von uns kann aufstehen und gehen, weil er das Gesicht des anderen nicht mehr aushält, also bleiben hässliche Worte, auch wenn sie ehrlich wären, besser ungesagt.
Kann sein, dass die Harmonie in einer Deutschen Nationalmannschaft schon einmal besser war, aber wenigstens haben wir erkannt, welches der kleinste gemeinsame Nenner ist, auf den sich alle einigen können: ein Erfolg gegen Österreich.
Als wir im Wiener Ernst-Happel-Stadion gegen die Hausherren auf den Platz laufen, ist nach wenigen Minuten klar, dass heute nichts anbrennen wird. Heute setzen wir um, was wir besprochen haben, zeigen Leidenschaft, Einsatz und üben von Beginn an Druck auf den Gegner aus. Als Balle knapp nach der Pause mit einem Superhammer ein herrliches Freistoßtor erzielt, weiß ich, dass wir das Spiel gewinnen werden, und so kommt es dann auch.
Weil wir in unserer Gruppe nur Zweiter geworden sind, müssen wir im Viertelfinale gegen Portugal antreten, einen der Turnierfavoriten. Portugal hat die Gruppe A mit souveränen Leistungen gewonnen, und mit Deco, Ronaldo, Nani und Nuno Gomes haben sie einige der großen Stars dieser EM in ihren Reihen. Wir lassen uns also besser etwas einfallen.
In den bisherigen Partien haben wir ein klassisches
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