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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philpp Lahm
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gar nicht, während er sich noch drei Tage lang die Brust reiben wird, wo ich ihm mit der Schulter eine mitgegeben habe, dann bin ich in der Mitte einer Traube von Menschen, und als ich schließlich zurück in die eigene Hälfte laufe, kommt Thomas Hitzlsperger zu mir und legt seinen Arm um meine Schulter, und wir besprechen noch mal kurz, was uns gerade gelungen ist - super Pass - ich wusste gar nicht, dass du ein Stürmer bist -, aber dann pfeift der Schiedsrichter das Spiel auch schon wieder an und wir müssen dafür sorgen, dass jetzt wirklich nichts mehr anbrennt, aber es brennt nichts mehr an, und wir stehen im Finale.
    Es fühlt sich gut an, ein entscheidendes Tor gemacht zu haben. Noch dazu, wenn ein Gegentor auf die eigene Kappe gegangen ist. Ich weiß nicht, ob das Gefühl, etwas gutmachen zu müssen, mir das letzte Quäntchen Entschlossenheit verliehen hat, das du brauchst, um im gegnerischen Strafraum das Richtige zu tun. Kann gut sein.
    Der Tag endet schön. Man fährt mit einem anderen Gefühl aus dem Stadion ins Quartier, wenn man etwas Entscheidendes zu einem Sieg beigetragen hat - ein Tor oder eine überdurchschnittliche Leistung. Heute habe ich eigentlich deutlich unter meinen Möglichkeiten gespielt, aber das Tor macht das irgendwie wett, auch wenn ich nach jedem Spiel kritisch hinterfrage, ob ich, was ich kann, abrufen konnte.
    Denn darin besteht die wichtigste Qualität des Fußballprofis: so gut zu spielen, wie er spielen kann, und zwar bei jeder Gelegenheit. Dann ist er für die Mannschaft wertvoll, und am Schluss ist jeder Sieg ein Sieg der Mannschaft. Es ist die Mannschaft, die jetzt im Finale der Europameisterschaft 2008 steht. Noch wissen wir nicht, gegen wen es im Endspiel gehen wird, aber am Abend des nächsten Tages wird Spanien gegen Russland 3:0 gewonnen haben und Kurs auf das Ernst-Happel-Sta-dion in Wien nehmen, wo am Abend des 29. Juni der Titel vergeben wird.
    Spanien ist eine großartige Mannschaft. In ihren Reihen stehen zahlreiche Weltstars. Casillas im Tor, Puyol und Sergio Ramos in der Abwehr, das Barcelona-Mittelfeld mit Xavi und Iniesta, dazu Arsenal-Star Fabregas, und vorne mit Torres und David Villa nicht ein, sondern gleich zwei Knipser.
    Auch im bisherigen Turnier hat Spanien den besten Fußball gespielt. Mit einem gewissen Respekt analysieren wir gemeinsam die bisherigen Spiele unseres nächsten Gegners. Sie sind auf jeder einzelnen Position top besetzt, im Vergleich der Einzelspieler ohne Frage stärker als wir. Sie spielen ein System von geradezu manischem Ballbesitz, das alle Spieler verinnerlicht haben und aus dem Effeff beherrschen. Die große Ballsicherheit dieser Mannschaft, die auf den technischen Fertigkeiten ihrer Spieler aufbaut, macht es für jeden Gegner schwer, überhaupt den Ball zu bekommen, geschweige denn einen eigenen Spielrhythmus zu finden.
    Spanien ist Favorit, klar. Aber wann hat Spanien den letzten Titel gewonnen? Vor 44 Jahren. Muss sich das unbedingt heute Abend ändern? Nein. Gibt es Beispiele dafür, dass dominante Mannschaften am Schluss eines Turniers mit leeren Händen dastehen? Jede Menge.
    Wir laufen also keineswegs eingeschüchtert aufs Spielfeld, und gleich nach drei oder vier Minuten haben wir die erste Chance. Thomas Hitzlsperger kommt knapp innerhalb des Strafraums frei zum Schuss, aber der fällt viel zu leicht aus.
    Was wir während der ersten zwanzig Minuten zeigen, ist ganz ordentlich. Nicht mehr. Wir können mit den Spaniern mithalten, aber wir bringen sie nicht zum Wackeln.
    Umgekehrt kommen sie immer öfter gefährlich vor unser Tor. Einmal hält Lehmann klasse, dann köpft Fernando Torres an den Pfosten. Nicht die Spanier, wir wackeln, und plötzlich ist das Spiel nicht mehr im Gleichgewicht. Jeder im Stadion kann sehen, dass Spanien als Mannschaft stärker ist als wir -und dazu die besseren Einzelspieler hat.
    Das sehen wir auch auf dem Platz. Die Taktik, die uns mitgegeben wurde, sieht vor, dass wir den Gegner bereits im Mittelfeld stark unter Druck setzen und ihm jedes Abspiel möglichst schwer machen. Damit wollen wir verhindern, dass die Spanier ihre Stärke, den entscheidenden Pass durch unsere Abwehr zu stecken, ausspielen können. Aber das klappt nicht.
    In der 32. Minute Freistoß aus der Hälfte der Spanier. Während wir uns noch sortieren, machen die Spanier exakt das, was wir unterbinden wollten. Ein einfacher Pass in den Mittelkreis, Senna spielt unbedrängt weiter zu Xavi, der schon in unserer Hälfte steht,

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