Der feine Unterschied
tot. Eine ganze Generation ist ausgelöscht von der Krankheit, die man zu Recht »die Geißel Afrikas« nennt. Busi-siwe ist dreizehn Jahre alt.
Am nächsten Tag besuchen wir ein Projekt, wo der Kampf gegen Aids am Beispiel von Fußball erklärt wird. Der Ball liegt außerhalb des Strafraums, und die Verteidiger müssen eine Mauer formieren. Diese Mauer soll symbolisieren, dass Aids abgewehrt werden muss. Der spielerische Zugang soll das, was den Kindern in der Theorie vermittelt wird, noch mal unterstreichen.
Dann spielen wir ein Spiel gegen die Schüler der Schule, zweimal dreißig Minuten, wir in Jeans und Turnschuhen, sie im besten Sportgewand, und mit so viel Einsatz und Engagement, dass unsere Mannschaft - immerhin zwei deutsche Nationalspieler und der Rest unserer Reisegruppe - 5:0 verliert. Über das Spiel wird tags darauf in allen Zeitungen Swasilands berichtet. Auf der Titelseite. Wer nicht genau hinsieht, könnte meinen, Swaziland hätte die Deutsche Nationalmannschaft 5:0 weggeputzt.
Aber Busisiwe geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Wir schauen uns in den kommenden Tagen Museen an, Baustellen, treffen Offizielle und Repräsentanten von Firmen, sehen Städte und Townships, sprechen mit Journalisten, mit vielen einfachen Leuten, verschaffen uns ein plausibles Bild von diesem wunderschönen Land - und seinen immensen Problemen. Aber immer wieder fällt mir Busisiwe ein. Immer wieder muss ich daran denken, dass sie keine Kindheit hat - ganz im Gegensatz zu mir. Meine Kindheit war eine heitere, behütete Zeit, in der eine ganze Familie davon beseelt war, meiner Schwester und mir die beste Zukunft zu ermöglichen, die man sich ausdenken kann. Sobald ich an Busisiwe denke, steigen mir Tränen in die Augen.
Das ist der Moment, als ich mir denke: Philipp, du musst was unternehmen. Ich bin ein bekannter Fußballer, ich kenne Gott und die Welt. Und ich fühle die Verpflichtung, die Möglichkeiten, die ich habe, dafür einzusetzen, anderen zu helfen, die diese Hilfe dringend nötig haben.
Wir beschließen, eine Stiftung zu gründen, und holen uns dafür die Unterstützung von Fachleuten und kompetenten Freunden.
Die Stiftung wird Philipp-Lahm-Stiftung heißen. Unsere Hilfe soll Kindern und Jugendlichen zugutekommen: Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben. Die Themenkreise, auf die wir uns konzentrieren wollen, sind Sport und Bildung.
Unser erstes Projekt heißt »Schuhe für Bokoji«. Aus einer Radioreportage haben wir erfahren, dass eine ganze Generation junger, begabter Läufer aus dem äthiopischen Hochland ohne Schuhe ins Lauftraining muss.
Bokoji liegt etwa hundert Kilometer südlich von Addis Abeba in zweitausend Metern Höhe. Die Stadt hat etwa 17.000 Einwohner. Die Verbindung in die Hauptstadt besteht aus Staubstraßen. Die Verhältnisse sind unvorstellbar ärmlich. Aus Bokoji stammen einige der berühmtesten Langstreckenläufer der Welt: Haile Gebrselassie, Kenenisa Bekele, Tirunesh Dibaba.
Schnell wissen wir: wir wollen diese jungen Läufer mit Schuhen versorgen. Laufen ist ihr Lebensinhalt und der Motor ihrer Hoffnungen. Sie wollen es ihren berühmten Vorbildern nachmachen und erfolgreiche Langstreckenläufer werden. Sie träumen vom sozialen Aufstieg, dem Sprung aus ihrer Heimat nach Europa. Schuhe sind eine Voraussetzung dafür, dass ihnen das gelingen kann.
Wir schließen uns mit der Hamburger »Gesellschaft zur Förderung der Demokratie und des Völkerrechts e.V.« und mit Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe »Menschen für Menschen« kurz. Diese Verbände haben das nötige Know-how für Hilfsaktionen in Afrika.
Dafür bringen wir den Kontakt zu Adidas mit. Es braucht nur ein paar Telefonate, bis klar ist: kein Problem, die Schuhe zu bekommen.
Man könnte jetzt meinen, dass man die Ware einfach in ein paar Kisten packt und an den Bestimmungsort schickt, aber so simpel ist das nicht. Der Zoll macht Probleme. Außerdem ist es sowieso sinnvoller, Händlern vor Ort die gleichen Produkte abzukaufen und dann zu verteilen. So machen wir es dann. Es ist ein berührender Moment, als im von Grashügeln abgegrenzten Laufstadion von Bokoji Schuhe an 300 Kinder verteilt werden, die in einer langen Schlange darauf warten, bis auch sie an der Reihe sind.
Das erste Projekt, das wir ohne Unterstützung von Partnern verwirklichen können, ist ein Fußballplatz in der Nähe von Johannesburg, den wir zwischen zwei Townships anlegen: Shongi Soccer. Viele Kinder und Jugendliche sind dort sich selbst
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