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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philpp Lahm
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Was muss die Mannschaft tun, um ihn gar nicht erst auf die Idee kommen zu lassen, seine technische Brillanz auszuspielen? Auch dafür gibt es Beispiele auf Video. Mannschaften, die Messis Kreise so eingeengt haben, dass er nicht so effektiv werden konnte wie sonst. Beispiele, wie man selbst gegen ihn wirkungsvoll verteidigen kann.
    Wir arbeiten eine Strategie gegen Messi aus. Wenn er mit dem Ball auf unsere Verteidigung zuläuft, muss er immer bedrängt und begleitet werden, ohne Foul, bis ein zweiter Spieler dabei ist, der ihn zusätzlich stört. Nicht, dass das ein sicheres Mittel wäre, Messi auszuschalten, dazu ist er zu stark - aber es ist eine vielversprechende Regieanweisung, eine Konzentration von mehreren Kräften, um den Fähigkeiten eines Einzelnen etwas Entsprechendes entgegenzusetzen.
    Genauso Tevez. Er darf einfach keinen Platz bekommen, um frei zum Schuss zu kommen und die ganze Energie seines kompakten Körpers hinter den Ball zu hebeln. Wir arbeiten sein Einzelprofil genauso durch wie das von Di Maria und einigen anderen. Als wir uns auf den Weg nach Kapstadt machen, um am Sonntagabend unser Viertelfinale zu spielen, sind wir voller Respekt, aber vorbereitet. Jeder Spieler weiß ganz genau, was er zu tun hat. Jeder Verteidiger ist darauf vorbereitet, gemeinsam mit seinen Kameraden einigen der besten Individualisten der Welt den Schneid abzukaufen. Unsere Mannschaft ist eine Mannschaft. Jeder weiß, dass wir nur gewinnen werden, wenn sich unsere individuellen Fähigkeiten in den nächsten 90 Minuten zu einem Paket, zu einem Ganzen formen lassen.
    Am Tag vor dem Spiel machen wir eine kleine Rundfahrt durch Kapstadt, wo tags darauf das Viertelfinalspiel stattfinden wird. Wir schauen uns die wunderschöne Stadt an, gehen ein bisschen am Meer spazieren, nehmen in einem Strandcafe einen Espresso. Die Stimmung in Kapstadt ist angenehm locker und gelassen, ganz anders als in Johannesburg, wo unsere Sicherheitsleute die dringende Empfehlung ausgesprochen haben, nicht allein auf die Straße zu gehen.
    Es ist wie ein Geschenk, dass wir im Cape Town Stadium schon in der dritten Minute in Führung gehen, denn das kommt unserer Strategie des Abwartens und Auf-unsere-Chancen-Lauerns zusätzlich entgegen. Basti Schweinsteiger dreht einen Freistoß von links vors Tor, und einmal mehr schleicht Thomas Müller allen Verteidigern davon und bringt den Ball per Kopf im Tor unter.
    In der Defensive stehen wir sicher. Argentinien hat mehr Ballbesitz. Argentinien sieht vielleicht feldüberlegen aus. Aber Argentinien bekommt keine echten Chancen, denn wir können in der Verteidigung alles umsetzen, was wir geübt, was wir uns vorgenommen haben. Sobald Messi einmal in der Gefahrenzone den Ball hat, sind sofort zwei, drei Verteidiger bei ihm, und die Argentinier haben weder die Mittel noch die Taktik, um die Räume, die sich dadurch auftun, zu nutzen. Umgekehrt gelingt es auch uns nicht, die geplanten schnellen Angriffe zu Ende zu spielen. Aber mein Gefühl ist gut, mein Optimismus klar. Wir sind so konzentriert, dass uns hinten kein unnötiger Fehler passieren wird, und unsere Chancen werden noch kommen.
    Als Argentinien nach der Pause zu drängen beginnt, sehen wir sofort, dass sie zwar wollen, aber keine neuen Einfälle mitbringen. Im Klartext: Diego Maradona hat als Trainer keinen Einfall gehabt, außer seinen Spielern die übliche Ihr-müsst-ren-nen-bis-zum-Umfallen-Rhetorik in die Ohren zu blasen. Nach wie vor hängen die Mannschaftsteile des Gegners zu wenig zusammen, und es ist nur die Klasse der einzelnen Spieler, die Argentinien gefährlich macht, nicht aber ein System, das diese Klasse zur Geltung bringen kann.
    Trotzdem steht das Spiel jetzt auf der Kippe. Die argentinischen Stars rackern sich ab. Immer wieder Schüsse auf unser Tor, aber keiner, der unseren Torhüter in Verlegenheit bringt. Doch der Druck nimmt zu, aber genau jetzt passiert das, worauf wir spekuliert haben.
    Bei einem Gegenangriff gelingt es Thomas Müller, obwohl er ausgerutscht ist und am Boden liegt, den Ball an seinem Gegner vorbei in die Tiefe zu spielen, und dann ist Lukas Podolski auf und davon und serviert Miro Klose den Ball so appetitlich, dass der nur noch Danke sagen muss. 2:0.
    Als wir nur drei Minuten später das 3:0 erzielen, ist die Partie gelaufen. Basti Schweinsteiger macht, was Messi in diesem Spiel nicht gelungen ist, er spielt von links kommend die gesamte argentinische Hintermannschaft aus und serviert den Ball dann

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