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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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ruhmbedeckt und reich, wurde er im Dom von Florenz begraben; Ucellos Reiterfresko über der Tür erinnert an ihn.
    In Italien wurden die Kompanien praktisch als offizielle Armeen in den regionalen Kriegen eingesetzt. In Frankreich wüteten sie ohne Kontrolle. Die einzige wirkungsvolle Gegenkraft wäre eine stehende Armee gewesen, ein Gedanke, der jenseits des Vorstellungsvermögens der Zeit und der Finanzkraft des Staates lag. Die einzige wirkungsvolle Strategie gegen die Kompanien war, sie zu bezahlen, damit sie woanders hingingen. Da der König von Ungarn um Hilfe gegen die Türken rief, wurde vom Papst, dem Kaiser und dem König von Frankreich ein gemeinsamer Versuch unternommen, die Plage durch einen Kreuzzug aus dem Land zu schaffen. [Ref 185]
    Der Mann, den der frühere Dauphin und Regent, jetzt König Karl V., mit der Führung des Kreuzzugsheeres beauftragte, war ein seltsamer neuer Hauptmann, so rauh wie sein bretonischer Name, den die Franzosen zunächst De Clequin, Kaisquin oder Clesquy schrieben, bis sein wachsender Ruhm ihn als Bertrand Du Guesclin festlegte. Plattnasig, dunkelhäutig, kurz und schwer, »gab es zwischen Rennes und Dinant keinen häßlicheren Mann«. So beginnt Cuveliers Versepos, das einen französischen Helden schaffen sollte, der es mit dem von Chandos Herald besungenen Schwarzen Prinzen aufnehmen konnte. Seine Eltern waren verarmte Adlige. Der rauhe Sohn, unverdorben durch die Formalitäten von Turnieren, lernte das Kriegshandwerk in den Guerillakämpfen der Bretagne im Dienst von Karl von Blois. Er wurde zu einem Meister des Überfalls und der Kriegslist, des Gebrauchs von Spionen und Geheimboten, er bestach Feinde mit Geld und Wein, er folterte und tötete Gefangene, und er schreckte auch vor Überraschungsangriffen
nach heilig beschworenem Waffenstillstand nicht zurück. Er war ebenso furchtlos wie skrupellos, ein großer Krieger, aber immer bereit, sein Ziel auch durch List, Intrige und Taktik zu erreichen; er war hart, verschlagen und bedenkenlos, ein écorcheur .
    Obwohl Karl V. selbst kein Krieger war, besaß er eine kriegerische Entschlossenheit. All die Jahre seit dem Vertrag von Brétigny hindurch war sein einziges, unausgesprochenes, alles bestimmendes Ziel das Festhalten der Territorien, deren Abtretung an England sein Reich verstümmelt hätte. Da er kein Bedürfnis verspürte, seine Heerschar in der Schlacht selbst anzuführen, brauchte er einen militärischen Führer und fand ihn in diesem »Wildschwein in Eisen«, dem ersten Befehlshaber auf französischer Seite, der dem Schwarzen Prinzen oder Sir John Chandos ebenbürtig war. [Ref 186]
    1364, im ersten Herrschaftsjahr von Karl V., führte Du Guesclin die Franzosen in einen Sieg und in eine Niederlage in zwei historischen Schlachten. Der erste Zusammenstoß war die Schlacht von Cocherel in der Normandie mit der Armee Karls von Navarra. Die beiden Heere waren klein, aber das Ergebnis war bedeutend, denn es führte zu der Beseitigung der ständigen Bedrohung von Paris durch Navarra. Dessen Vetter, der berühmte Hauptmann de Buch, wurde in diesem Treffen gefangengenommen, aber von Karl V. in der Hoffnung, ihn auf seine Seite zu ziehen, ohne Lösegeld bald wieder freigelassen. Die zweite Schlacht fünf Monate später bei Auray an der felsigen Küste der Bretagne entschied den Krieg in diesem Land. Karl von Blois, der französische Kandidat für den Herzogsthron, fiel, und Du Guesclin wurde gefangengenommen. Damit gelangte der englische Kandidat, Johann von Montfort, an die Macht, obwohl die Bretagne nach den Bedingungen des Vertrages von Brétigny französisches Lehen blieb. Karl V. gelang es, diese Niederlage zu seinem Vorteil zu nutzen. Durch eine enorme Pension überzeugte er Blois’ Witwe, ihre Ansprüche aufzugeben, beendete damit den bretonischen Krieg, der die französischen Kräfte unablässig gebunden hatte. Karl V. zog es immer vor, nicht zu kämpfen, wo er kaufen konnte.
    Du Guesclin, nachdem er freigekauft worden war, fiel keineswegs in Ungnade. Sein nächster Kriegsschauplatz war Spanien, wohin sich die anglo-französische Auseinandersetzung nach dem
Ende der Kampfhandlungen in der Bretagne verlagert hatte. Peter der Grausame, König von Kastilien, hatte durch seine Härte einen Aufstand heraufbeschworen, der darauf zielte, seinen illegitimen Bruder Heinrich II. von Trastamara, den ältesten von zehn Bastarden seines Vaters, zum König zu machen. Der Streit beeinflußte das Gleichgewicht der Kräfte in

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