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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Bettelmönche darstellte. Wie der Geistliche, der die Frauen wegen der geheimen Wünsche der Männer anklagt, wie der Polizist, der die Hure, aber nicht ihren Kunden verhaftet, so macht de Meung als Mann die Frauen für die Abkehr der Menschheit von ihren Idealen verantwortlich. Weil die höfische Minne eine falsche Glorifizierung der Frau war, ließ er die Frauen Falschheit und Heuchelei verkörpern. Intrigant, geschminkt, käuflich und hemmungslos waren de Meungs Frauengestalten und damit die einfache Umkehr der ebenfalls männlichen Phantasievorstellung von der hohen Minne. Christine betonte, daß es Männer waren, die beide Arten der Bücher, die Romanzen und die Satiren, schrieben. Ihr Protest löste einen vielbeachteten Streit zwischen den Fürsprechern und Kritikern de Meungs aus. Es war eine der großen intellektuellen Debatten der Zeit der Jahrhundertwende. [Ref 179]
    Im Alter von 54 Jahren zog Christine sich aus Trauer über den Zustand Frankreichs in ein Nonnenkloster zurück. Sie lebte noch elf Jahre und widmete diese Zeit der Dichtung eines Epos über die Frauengestalt, die für die Nachwelt alle anderen jener Zeit überragte – Jeanne d’Arc.

    Am 27. Juli 1365 heirateten Enguerrand de Coucy und Isabella von England in großer Festlichkeit und Pracht. Die besten Spielleute des Reiches spielten zu dieser Gelegenheit auf. Die Braut glänzte in den Juwelen, die sie als Brautgeschenk von ihrem Vater, ihrer Mutter und ihren Brüdern bekommen hatte und die nach den Aufzeichnungen des königlichen Haushalts 2370 Pfund, 13 Schillinge und 4 Pennies wert waren. Das Hochzeitsgeschenk des Königs für Enguerrand war nicht weniger wertvoll: Er wurde ohne Lösegeld aus seiner Geiselhaft entlassen. [Ref 180]
    Vier Monate später erhielt das Paar die Erlaubnis des Königs, nach Frankreich zurückzukehren. Offenbar wurde die Erlaubnis nur mit einigem Zögern gegeben, da der entsprechende Brief sich auf die wiederholten Bitten Enguerrands bezieht, »nach Frankreich zu gehen, um Eure Besitztümer, Ländereien und Güter zu besuchen«. Da Isabella bereits schwanger war, versprach der König zusätzlich, daß alle Kinder, männliche und weibliche, englischen Besitz erben könnten und als Engländer betrachtet würden, »ganz so, als wären sie im Königreich geboren«.
    Unter dem traditionellen Läuten der Kirchenglocken, an denen kräftig gezogen wurde, damit die Heiligen die Wehen erleichterten, wurde auf Coucy im April 1366 eine Tochter geboren und auf den Namen Marie getauft. Schon vor Ablauf eines Monats eilte Isabella mit Mann und Kind nach England zurück. Eine Dame von hohem Rang reiste damals in einem vierrädrigen Wagen mit gepolsterten Sitzen, umgeben von ihrer Haushaltsausstattung, Bettleinen, Kochtöpfen, Krügen, Geschirr, Kleidung und Teppichen. Diener eilten zu jeder Station voraus und bereiteten die Zimmer vor, hingen Wandteppiche und Bettvorhänge auf. Selbst bei solchen Erleichterungen aber scheint es ein Anzeichen von einer eigenartigen und rücksichtslosen Ungeduld oder eines verzweifelten Heimwehs, daß Isabella sich und das Neugeborene der Kanalüberquerung und der holprigen Landreise aussetzte. Die ganze Zeit ihrer Ehe hindurch schlug Isabella in Coucy-le-Château keine Wurzeln und eilte immer sofort an den Hof ihres Vaters zurück, sobald ihr Gatte zu irgendeiner Expedition aufbrach. Vielleicht war sie in der großen Burg auf dem Hügel unglücklich, oder sie fühlte sich in Frankreich nicht zu Hause, oder – was wahrscheinlicher ist –
sie konnte ohne den Glanz des Königshofes, ohne die Umgebung ihrer Jugend, nicht leben.
    Eduards Entschlossenheit, Coucy so eng wie möglich an England zu binden, zeigte sich erneut, sobald Enguerrand und seine Frau wieder in England waren. Am 11. Mai 1366 verkündete der Kanzler in Anwesenheit Eduards Adel und Bürgertum im Parlament, »daß der König seine Tochter Isabella mit dem Lord de Coucy verheiratet hat, der in England und anderswo schönes Besitztum sein eigen nennt; und da der König so eng mit ihm verbündet ist, erscheint es dem König angebracht, daß er seinen Namen und seine Ehre vermehre, indem er ihn zum Earl erhebe. Und dafür bitte er, ihm Rat und Zustimmung zu geben.« Die Stände stimmten dem Verlangen zu, und Enguerrand wurde mit dem vakanten Earltum von Bedford beliehen. Von da an erscheint er als Ingelram, Earl von Bedford, in den englischen Archiven. Um die Ehrung vollständig zu machen, wurde er in den »Order of the Garter« (den

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