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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Widerstandskraft der Stadtmauern gegen Belagerungen verhinderte das. Er konnte auch nicht mehr erreichen als vorher Eduard in Frankreich. Selbst die kleine Stadt Büren im Tal der Aare wies eine Belagerung ab, die er selbst führte. Den Herrn von Büren allerdings, den Grafen von Nidau, traf hier die Strafe für seine Doppelzüngigkeit, als er zum Fenster hinaussah und von einem Pfeil getötet wurde.
    In der bitteren Kälte des Dezembers drangen die Kompanien, in kleine Gruppen aufgeteilt, um die Verpflegung aus dem Lande zu erleichtern, bis an die Grenzen von Zürich und Luzern vor. Ihre Ausdünnung machte sie gerade zu einer Zeit verwundbar, als sich aufgrund ihrer Greueltaten der Schweizer Widerstandswille erhob. In Schwyz, nahe dem Sempacher See, sammelte eine auf ihre alten Privilegien stolze, abgehärtete Bauernschaft eine Kampfgruppe von mehreren hundert Mann. Durch dieses Beispiel ermutigt, verließen die jungen Männer von Luzern – gegen den Befehl des Magistrats – die Stadt und schlossen sich zusammen mit Abordnungen anderer Städte den Bauern an. Am 19. Dezember kreiste die Gruppe, nun etwa sechshundert Mann stark, die kleine Stadt Buttisholz ein, in der sich ein Korps von »sechstausend«
Güglern einquartiert hatte. Die Schweizer griffen an, erschlugen dreihundert und verbrannten andere bei lebendigem Leibe in einer Kirche, in der sie Zuflucht gesucht hatten. Im Triumph ritten die Männer von Schwyz mit ihren Trophäen in die Berge zurück: Auf dem Gefechtsplatz wurde später ein Denkmal aufgestellt, das an die »Niederlage der Gügler« erinnerte.
    Bern, die Stadt des Bären, wurde durch die Nachricht von dem Sieg angespornt. Innerhalb von sechs Tagen wurde eine Streitmacht von Bernern und Bürgern benachbarter Städte aufgestellt. Am Heiligen Abend überraschte diese Truppe eine Kompanie von Bretonen bei Ins und schlug weitere dreihundert Gügler tot, offenbar mit wenig Verlusten, denn die Berner waren schon am nächsten Abend wieder bereit auszurücken.
    Ihr Ziel war dieses Mal die Abtei von Fraubrunnen, wo kein geringerer Feind als Owen von Wales sich mit einer großen Kompanie einquartiert hatte. Unter dem Bärenbanner marschierten die Bürger durch die kalte Nacht dies 26. Dezember und schlossen die Abtei noch vor Morgengrauen ein. Mit lautem Schlachtgeschrei und flammenden Fackeln setzten sie die Gebäude in Brand, fielen über die schlafenden »Engländer« her und erschlugen viele, noch bevor sie erwachten. Der Rest raffte die Waffen auf und verteidigte sich verzweifelt: Klostergänge, in denen sonst feierliche Ruhe geherrscht hatte, hallten wider von den Schreien und dem Klang der Waffen, die Feinde kämpften »Stich für Stich und Schlag für Schlag«, Rauch und Flammen erfüllten jedes Gebäude der Abtei, Owen schwang sein Schwert mit »wilder Wut«, der Berner Anführer, Hannes Rieder, fiel, aber seine Männer schlugen die Gügler in die Flucht. »Und die, die flohen, wurden erschlagen, und die, die blieben, wurden verbrannt.« Owen entkam, aber achthundert seiner Leute waren tot. Auch die Schweizer erlitten schwere Verluste, aber die Überlebenden kehrten ruhmbedeckt nach Bern zurück. Unter den erbeuteten Bannern, die noch heute in der Stadt ausgestellt sind, ist auch ein rot-weißes, fleckig und zerrissen, angeblich das Banner von Coucy. War er in Fraubrunnen? Seine Teilnahme an dem Kampf ist nirgends überliefert, aber nicht unmöglich.
    Bern erließ eine jährliche Almosenverteilung aus Dankbarkeit für den Sieg; Lieder und Chroniken feierten den Kampf gegen die
gefürchteten Kompanien, die die Christenheit schon so lange plagten. Balladen erzählen von »dem Ritter von Cussin, der kam, um Burgen und Städte zu nehmen« mit »40 000 Lanzen in spitzen Hüten«, wie er »dachte, daß das Land sein eigen sei, und seine Verwandten aus England mitbrachte, um ihm in allem zu helfen«. Der Bär von Bern aber schlug ihn zurück, und »in England und Frankreich weinten die Witwen alle und riefen: Wehe, gegen Bern soll niemals wieder jemand ziehen.«
    Ein neues Selbstbewußtsein spricht aus diesen Kriegsliedern. Die Gefechte in Buttisholz, Ins und Fraubrunnen in der Weihnachtswoche 1375 waren, obwohl sie die Gügler nicht endgültig ausschalteten, in ihrer Symbolkraft bedeutender als in ihrem militärischen Gewicht. Sie gaben dem Widerstand der Schweizer gegen Habsburg neue Kraft, trieben sie voran und auf jene entscheidende Schlacht bei Sempach zu, in der elf Jahre später Leopold fiel und

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