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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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der Griff Habsburgs praktisch gebrochen wurde, auch wenn es noch ein Jahrhundert dauerte, bis die Unabhängigkeit des Bundes wirklich erfochten war.
    Nach Fraubrunnen sah sich Coucy gezwungen, nach Frankreich zurückzukehren. Da Leopold der Entscheidungsschlacht auswich, konnte er sein Erbe nicht zurückgewinnen noch die Kompanien länger in einem verbrannten und erschöpften Land halten, noch dazu im Winter. Die Moral der Kompanien war durch die schweren Niederlagen auf einem Tiefpunkt. Wie Eduard, wie Lancaster, wie jeder Invasor seiner Zeit hatte er sich darauf verlassen, aus dem Lande leben zu können, und war wie seine Vorgänger gescheitert. Die düsteren Wiederholungen der Geschichte waren selten deutlicher als im Gügler-Krieg.
     
    Der Rückzug durch das Elsaß im Januar war voll der bittersten Entbehrungen. Männer brachen vor Hunger und Kälte am Straßenrand zusammen oder desertierten, verhungernde Pferde wurden liegen gelassen, Zaumzeug und Rüstungen weggeworfen. Wer noch Kraft besaß, plünderte weiter. Städte schlossen ihre Tore vor den anrückenden Banden, fügten ihnen in einem Fall mit Hilfe der Heiligen Jungfrau sogar eine weitere demütigende Niederlage zu. Die Bürger von Altkirch, entschlossen, ihre Stadt von den Mauern
herab gegen die Gügler zu verteidigen, sahen, wie sich der Nachthimmel durch das vielfarbige Licht einer Aurora borealis erhellte. Überzeugt, daß ihre Schutzpatronin, die Heilige Jungfrau, dies zum Zeichen ihrer Hilfe an den Himmel gesetzt habe, wagten die ermutigten Bürger einen Ausfall und schlugen die Gügler in die Flucht.
    Bei Wattwiller, nur einen Tagesritt von Leopolds Burg in Breisach entfernt, wurde am 13. Januar ein Vertrag unterzeichnet, in dem die Herzöge von Österreich Coucy das Lehen des toten Grafen von Nidau abtraten einschließlich der Stadt Büren. Coucy verzichtete seinerseits auf alle anderen Ansprüche. Ob seine Armee selbst auf dem Rückzug noch für bedrohlich genug gehalten wurde, um diese Einigung erzwingen zu können, oder ob die Bestimmungen des Vertrags früher ausgehandelt worden waren, um ihn zum Rückzug zu bewegen, ist nicht überliefert. Jedenfalls kehrte Coucy nicht mit leeren Händen heim. Die Kompanien schleppten sich den Januar und Februar hindurch nach Frankreich zurück. Es war Coucy gelungen, sie fast sechs Monate lang außer Landes zu halten, länger als Du Guesclin mit seinem spanischen Feldzug von 1365. [Ref 225]
    König Karl V. beauftragte Coucy im Februar prompt damit, gegen seine ehemaligen Kampfgenossen zu ziehen, die inzwischen wieder die Champagne unsicher machten. Coucy und Marschall Sancerre bekamen jeder zweihundert Reiter, um im Sold des Königs »gegen einige Kompanien zu ziehen, die gerade von den deutschen Grenzen zurückgekehrt waren«. Offensichtlich hatten sie Erfolg. Im März tauchten die bretonischen Kompanien an der Rhone auf und wurden im Mai vom Papst für den wiederaufgeflammten Krieg in Italien angeheuert.
     
    Die englisch-französische Friedenskonferenz in Brügge trat im Dezember 1375 wieder zusammen. Herzöge, Kardinäle, der Constable Du Guesclin und andere berühmte Persönlichkeiten versammelten sich und verbrachten die Tage mit legalistischen Streitigkeiten, großen Auftritten, Turnieren, Festen und Banketten. Der Disput über die Territorien war noch komplizierter geworden, weil Karl V. forderte, daß Eduard für die Kriegsschäden Reparationen zahlen
sollte. Wieder kam es zu keiner Einigung, nur der Waffenstillstand wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Karl wandte sich noch einmal um Hilfe an Coucy, denn er wünschte einen »guten Frieden«, und Coucys Verbindungen mit England machten ihn »sehr geeignet, den Frieden zwischen den beiden Königen auszuhandeln«.
    Während Coucys Feldzug gegen Österreich war die ruhelose Isabella wie gewöhnlich nach England gereist. Nach den verschiedenen Geschenken zu urteilen, den Geldzuwendungen und Subsidien, mit denen Eduard sie überhäufte, war der Zauber, den sie auf ihn ausübte, noch immer ungebrochen. In seiner Senilität war er überdies dem Charme einer schönen und vulgären Mätresse erlegen, Alice Perrers mit Namen, der er die Gewänder und Juwelen der verstorbenen Königin schenkte und die mit einem Triumphwagen durch London paradierte und sich selbst den Titel »Lady of the Sun« verliehen hatte. Bei einem früheren Besuch hatte Isabella sich geweigert, neben diesem zweifelhaften Ersatz ihrer Mutter bei Hof zu wohnen, aber jetzt wurden ihre

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