Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
Vom Netzwerk:
ausgeführt wurden.
    Da er nicht ausreichend Kräfte hatte, um sich Coucys Streitmacht offen entgegenzustellen, zog sich Leopold in die Festung von Breisach auf der anderen Seite des Rheins zurück und verließ sich auf den Widerstand der streitbaren Schweizer. Er selbst hatte schmerzlich erfahren müssen, wie es um die Kampfkraft seiner Schweizer Untertanen bestellt war.
    Ob authentisch oder legendär – Wilhelm Tells trotziger Widerstand gegen den österreichischen Vogt Geßler am Beginn des Jahrhunderts symbolisiert den Kampf gegen die Tyrannei der Habsburger. Noch zwei weitere Male im Laufe des Jahrhunderts hatten die Schweizer der Habsburger Kavallerie demütigende Niederlagen zugefügt. Bei Morgarten und Laupen in den Jahren 1315 und 1339 hatten die Siege des Mannes auf der Erde über den aufgesessenen Ritter Kriegsgeschichte gemacht. Bei Morgarten im Waldkanton
von Schwyz hatten die Schweizer den Rittern bei einem Gebirgspaß aufgelauert, von oben Steine und Baumstämme auf sie stürzen lassen und waren dann in das Chaos hinuntergestiegen, um die Ritter abzuschlachten »wie Schafe in den Hürden«. Sie kannten keine Gnade, denn sie erwarteten keine Lösegelder, und sie siegten, weil sie, nicht der Feind, das Schlachtfeld gewählt hatten. Die Ritter entschuldigten die Niederlagen mit dem ungünstigen Gelände, und tatsächlich wurde der Nachteil für die Reiterei in den Bergen zu einem Element – ebenso wichtig wie der trotzige Geist der Kantone – in der schließlichen Erzwingung der Schweizer Unabhängigkeit.
    Bei Laupen an einem offenen Hügel konnte kein Terrain die Niederlage wegerklären. Dort ging die Stadtstreitmacht von Bern auf einer Anhöhe in Stellung und zwang so die Habsburger Ritter, in ansteigendem Gelände zu kämpfen. Die Berner, verstärkt durch Bergbauern aus den Waldkantonen, bildeten in dem Gefecht eine Igelphalanx, die, obwohl sie von den Rittern eingeschlossen wurde, standhielt und nicht durchbrochen werden konnte. Während die Schweizer ihre Feinde in ein blutiges Handgemenge verwickelten, in dem sie ihnen mit ihren Hellebarden – einer Verbindung von Axt und Spieß – schreckliche Wunden zufügten, fiel ihre Reserve den Adligen in den Rücken und überwältigte sie. Siebzig Helme und 27 Adelsbanner wurden von den Schweizern erbeutet. Obwohl diese Schlachten nun schon eine Generation zurücklagen, hatten die Gügler allen Grund, sie als Warnung ernst zu nehmen. [Ref 223]
    Die Schweizer reagierten kaum auf Leopolds Aufruf, das Land gegen Coucy zu verteidigen. Sie haßten die Habsburger mehr, als sie die Invasoren fürchteten. Die drei Waldkantone im Zentrum des Landes weigerten sich völlig, irgend etwas zu unternehmen. Angeführt vom Kanton Schwyz, dem kühnsten der drei, der der zukünftigen Nation den Namen geben sollte, sagten sie, daß sie kein Interesse hätten, sich für Leopolds Verteidigungskrieg zu opfern, da der Sire de Coucy ihnen niemals etwas angetan habe. Sie würden »Zuschauer in diesem Krieg« bleiben, es sei denn, sie sähen sich gezwungen, gegen den Sieger zu kämpfen, wenn er seine Ansprüche zu weit auslege. Zürich indessen ebenso wie Bern, Luzern und Solothurn erklärten sich bereit, den Aargau zu verteidigen,
jene Region, die dem Elsaß benachbart war und die sie als ihren »Korridor« ansahen.
    In der Zeit um den 11. November traf Coucy mit 1500 Mann im Elsaß ein, um das Kommando zu übernehmen. Inzwischen war die Gegend gründlich verwüstet, so daß nun – der Winter stand vor der Tür – kaum noch Lebensmittel aufzutreiben waren. Zu diesem kritischen Zeitpunkt erscheint in der Überlieferung eine Verzerrung der Ereignisse, die um so unerklärlicher ist, als sie von Froissart herrührt, der doch viel von Coucys Geschichte aus dessen eigenem Mund hörte. Nach Froissart beriefen meuternde Hauptleute einen Kriegsrat ein und klagten Coucy an, sie betrogen zu haben. »Was ist dies?« riefen sie. »Ist dies das Herzogtum Österreich? Der Sire de Coucy hat uns gesagt, es sei eines der fettesten Länder der Welt, und wir finden es arm vor. Er hat uns schäbig betrogen. Gingen wir über den Rhein, so würde keiner von uns lebend zurückkehren, denn unsere Feinde, die Deutschen, sind Männer ohne Erbarmen. Laßt uns nach Frankreich zurückkehren, und verflucht sei, wer weiter vorrückt.« [Ref 224]
    Coucy sprach beschwichtigend auf sie ein: »Ihr Herren, Ihr habt mein Geld genommen und mein Gold, für das ich bei dem König von Frankreich tief in der Schuld

Weitere Kostenlose Bücher