Der ferne Spiegel
waren weitreichend.
In seinen letzten zwei Jahrzehnten lebte Hawkwood in Reichtum als geachteter Mann; die Signoria ernannte ihn zum Hauptmann von Florenz und bezahlte ihn für seine Dienste, andere Städte Mittelitaliens dafür, daß er sie verschonte. Er hinterließ Italien das Beispiel eines erfolgreichen Gewalttäters, das andere condottieri inspirierte – Jacopo del Verme, Malatesta, Colleoni, Sforza – Italiener, die nun die ausländischen Hauptleute ersetzten. [Ref 254]
Robert von Genf, der für Italien der »Mann des Blutes« und »der Schlachter von Cesena« hieß, machte nie den Versuch, seine Aktion zu entschuldigen. Soweit es ihn betraf, waren die Bürger Rebellen wie die von Limoges für den Schwarzen Prinzen. Sein Rückgriff auf den Terror, der ganz Italien erschütterte, war dem Ansehen der Kirche nicht sehr hilfreich. »Die Menschen glauben nicht mehr an den Papst oder die Kardinäle«, schrieb ein Chronist aus Bologna über das Massaker, »denn diese Dinge erdrücken den Glauben.«
Inzwischen hatte der Papst Florenz exkommuniziert und forderte die anderen Städte auf, sich auf Kosten der vogelfreien Stadt zu bereichern. Ihre Handelskarawanen durften ergriffen, Schulden brauchten nicht entrichtet zu werden, und Handelspartner waren nicht länger verpflichtet, die Verträge einzuhalten. Florenz schlug zurück, indem es das kirchliche Eigentum einzog und die örtliche Geistlichkeit zwang, die Kirchen trotz des Banns offenzuhalten. Das Volk war so aufgebracht, daß das Komitee der acht, das die Stadt führte, die »Acht Heiligen« genannt und der Krieg mit dem Papsttum in Italien als der Krieg der Acht Heiligen bekannt wurde.
Aber beide Seiten waren nicht in der Lage, den Krieg lange aufrechtzuerhalten. Der Bannfluch hatte nicht nur drastische Folgen für die Wirtschaft von Florenz, er spaltete auch die Liga. Die vielfachen Rivalitäten der italienischen Städte über längere Zeit zu unterdrücken, um eine Einheit zu schaffen, war nicht möglich. Ebenso unmöglich war es für das Papsttum, von Avignon aus die Kontrolle über die päpstlichen Staaten aufrechtzuerhalten. Eine neue Gefahr für den Papst drohte, als Florenz versuchte, Rom in die Liga zu ziehen. Es war für Gregor XI. ebenso unübersehbar wie für seinen Vorgänger, daß die politische Notwendigkeit das Papsttum in seine Heimat Rom zurückrief. Eine mahnende Stimme an seinem Ellbogen fügte diesem Ruf ihre moralische Kraft hinzu. [Ref 255]
Seit Juni 1376 hielt sich Katharina von Siena in Avignon auf und ermahnte den Papst unablässig, als Zeichen für die Reform der Kirche nach Rom zurückzukehren. Schon im Alter von 29 Jahren hatte sie ein Gefolge, das sie glühend verehrte; ihre Visionen und Trancezustände wurden ehrfürchtig bewundert. Sie behauptete, in einem Ekstasezustand nach dem Abendmahl die Stigmata der fünf Wunden Christi an den Händen, Füßen und am Herzen empfangen zu haben. Während diese nur ihr selbst sichtbar blieben, wuchs ihr Ruf in Florenz derart an, daß die Stadt sie als Gesandte zu Verhandlungen mit dem Papst um eine Aufhebung des Banns schickte. Katharina selbst aber sah ihre Mission weit umfassender, sie wollte zum Apostel der Menschheit werden und die Läuterung und Erneuerung der Kirche ins Werk setzen. Ihre Autorität leitete sie aus der Stimme Gottes ab, die, wie sie beanspruchte, direkt zu ihr sprach und deren Aussagen sie in den Dialogen , die sie ihrem Sekretärsjünger diktierte, festhielt: »Gegeben persönlich von Gott dem Vater, der zum Geist der glorreichsten und heiligsten Jungfrau, Katharina von Siena, spricht . . . während sie in Trance liegt und wahrhaftig hört, was Gott in ihr gesprochen hat.«
Die Ekstasen der mystischen Einheit waren für Katharina ebenso real wie für viele andere Frauen, die der Ehe auswichen, indem sie sich einem religiösen Leben verschrieben. Christus bezeugte ihre Verlobung mit ihr, schrieb Katharina, »nicht mit einem silbernen Ring, sondern mit einem Ring seines heiligen Fleisches,
denn als er beschnitten wurde, nahm man genau einen solchen Ring seinem heiligen Körper ab«. Eine Dominikanerschwester lehrte sie lesen, als sie zwanzig war, und Katharina las immer wieder das Hohe Lied Salomos und wiederholte in ihren Gebeten den Seufzer der Braut: »Möge er mich küssen mit einem Kuß seines Mundes.« Sie wurde belohnt, als Christus ihr erschien und ihr einen Kuß schenkte, der »sie mit unsagbarer Süße erfüllte«. Nach langen Gebeten um den
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