Der ferne Spiegel
Schlachtruf des Aufstands der Ciompi im Jahre 1378. Als größtes industrielles Zentrum seiner Zeit war Florenz der logische Ausgangsort der Arbeiterunruhen. Die Ciompi waren die niedrigste Schicht der Arbeiter, und der Aufstand wurde nach ihnen benannt, aber Handwerker aller Art, die nicht in den städtischen Zünften organisiert waren, schlossen sich ihnen an. Sie arbeiteten zu festen Löhnen, die oft unter dem Existenzminimum lagen, sechzehn bis achtzehn Stunden am Tag, und ihr Entgelt konnte ihnen vorenthalten werden, wenn sie zu aufwendig arbeiteten oder Schaden verursachten. Die enge Verbindung der Kirche mit den Reichen geht schon aus einem einzigen Hirtenbrief des Bischofs von Florenz hervor, in dem er erklärte, daß Weber exkommuniziert werden konnten, wenn sie Wolle verschwendeten. Arbeitern konnte die Prügelstrafe auferlegt, sie konnten eingekerkert oder von der Liste der Anzustellenden gestrichen werden, ihnen konnte die Hand abgeschlagen werden, wenn sie Widerstand gegen die Arbeitgeber leisteten. Agitatoren, die für das Recht der Arbeiter, sich zu organisieren, auftraten, drohte der Galgen. 1345 waren zehn Weber aufgrund dieser Anklage hingerichtet worden. Der Aufstand von 1378 stürzte die ganze Stadt in ein Chaos der Gewalttätigkeit. Die Arbeiter stürmten die Treppen des Signoriapalastes hinauf, um ihre Forderungen zu präsentieren. Sie wollten freien Zugang zu den Zünften, das Recht, eigene Gewerkschaften zu gründen, eine Reform der Bußzahlungen und Strafen und – vor allem – das Recht, »an der Regierung der Stadt teilzuhaben«. Zu einer Zeit, die keine Gewehre und kein Tränengas kannte, lösten aufrührerische Massen Schrecken aus. Obwohl das Rathaus mit Verteidigungswaffen wohlausgestattet war, kapitulierten die »erschrockenen Männer« der Signoria.
Die Arbeiter riefen eine neue Regierung aus, die aus Repräsentanten der Arbeiterschaft in den Zünften gebildet war. Sie hielt sich einundvierzig Tage und brach dann unter dem Druck innerer Auseinandersetzungen und dem Gegenangriff der Magnaten zusammen. Die Reformen, die durch den Aufstand gewonnen worden waren, wurden Stück um Stück demontiert, und die großen Zünfte gewannen bis 1382 die Kontrolle über die Stadt, wenn auch nicht ihre Selbstsicherheit zurück. Die Furcht vor neuen gewalttätigen Ausbrüchen in der Arbeiterschaft trug viel zu dem nun einsetzenden Verfall der republikanischen Regierung bei und beschleunigte den Aufstieg der Medici zur beherrschenden Familie.
Die Weber von Gent zeigten mehr Beharrungsvermögen. In Ypern und Brügge war der Aufstand durch den Grafen von Flandern in Feuer und Blut erstickt worden. Aber die Genter hielten trotz Belagerungen, Waffenstillstand und Verrat die Stellung, obwohl sie durch die Blockade aller Handelswege dem Hungertod nahe waren. Gents Kampf war eigentlich kein Klassenkampf, obwohl er als solcher nachträglich angesehen wurde. Er war eher ein hartnäckiger Verteidigungskampf einer autonomen Stadt gegen den Feudalherrn mit Elementen eines Fraktionskampfes von sozialen und religiösen Parteiungen. Er war ein ganzer Komplex von Rivalitäten zwischen Städten, Handwerkszünften und verschiedenen Schichten innerhalb eines Handwerks. Die Weber unterdrückten die Walker der Unterklasse mit der gleichen Entschlossenheit, die sie gegen den Grafen von Flandern wandten.
In Frankreich weckte des Königs Totenbettversprechen, die Steuern abzuschaffen, eine fieberhafte Erwartung. Als die Engländer unter Buckingham scheinbar unbehindert das Land verwüsteten, hatte der Zorn über die Steuern, die im Namen der Landesverteidigung eingezogen wurden, seinen Höhepunkt erreicht. Das Volk hatte das Geld, so schien es, für nichts geopfert. Tatsächlich aber widerstanden Burgen und Städte durch die Mittel, die Karl V. für ihre Befestigungen aufgewendet hatte, dem Feind sehr viel besser als in den elenden Jahren nach Poitiers. Dies allerdings verminderte nicht die Belastung der ärmeren Schichten und auch nicht den Widerwillen der unabhängigen Städte, die für etwas zahlen mußten, was sie als Aufgabe des Königs ansahen. Dieses Gefühl,
mit dem König nichts zu tun zu haben, war so stark, daß Laon es ablehnte, Coucy, dem Generalhauptmann der Picardie, die Tore zu öffnen oder ihm die Abteilung von dreißig Bogenschützen zu stellen, die er gefordert hatte. Die Städte der Picardie verweigerten sich allen weiteren Zahlungen. In Saint Quentin und Compiègne gab es Unruhen, die Stadtbevölkerung
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