Der ferne Spiegel
Constable von Frankreich, und gebar eine Tochter, die einen Bourbonen aus dem Zweig Ludwigs des Heiligen heiratete. Der Enkel dieser Ehe, Antoine de Bourbon, heiratete Jeanne d’Albret, die Königin von Navarra, und der Sohn ihrer Ehe errang mit seiner weißen Feder von Navarra und seinem berühmten Zugeständnis – »Paris ist eine Messe wert« – als Heinrich IV. den Thron von Frankreich. Mutig, geistesgegenwärtig, amourös und umgänglich war er der beliebteste aller französischen Könige und – vielleicht infolge der paar Gene, die ihm Enguerrand VII. vererbte – ein vernünftiger Mann. [Ref 446]
Die große Baronie von Coucy blieb nach der Vereinigung mit der königlichen Domäne unter Ludwig XII., dem Sohn Karls von Orléans, Eigentum des Orléans-Zweiges des königlichen Hauses. Während der Unmündigkeit Ludwigs XIV. – dessen Bruder Philipp von Orléans den Titel Sire de Coucy trug – wurde die mächtige Burg zu einem Stützpunkt der Fronde, der Liga der Adligen, die gegen den Regenten Kardinal Mazarin opponierte. Um die Basis seiner Feinde zu zerstören, ließ Mazarin 1652 Teile der Burg in die Luft sprengen, aber seine Mittel reichten nicht aus, den titanischen donjon , den großen Turm, zum Einsturz zu bringen. Ein Erdbeben im Jahre 1692 zerstörte weitere Teile der Burg und hinterließ einen gezackten Riß von der Krone bis zum Fuß des donjon , aber er stand immer noch, Wächter über die verlassenen Hallen zu seinen Füßen. Einhundert Jahre später war der letzte Seigneur der Baronie der Herzog von Orléans, der Philippe Egalité genannt wurde, als
Mitglied der Nationalversammlung für den Tod Ludwigs XVI. stimmte und selber ein Jahr später der Guillotine zum Opfer fiel. Sein Besitz einschließlich Coucy ging an den Staat.
Inzwischen war Enguerrands Zölestinerkloster in Villeneuve de Soissons von den Hugenotten verwüstet worden. Es wurde wiederhergestellt und in den Schlachten der Fronde erneut zerstört, schließlich als ein privates château verkauft, als der Zölestinerorden 1781 unterdrückt wurde. Während der Revolution ausgeplündert, ging das Gebäude durch verschiedene Hände, bis der Graf Olivier de la Rochefoucauld es 1861 kaufte. Coucys Griff nach der Selbstverewigung war nicht erfolgreicher als die meisten Versuche dieser Art.
Unter Napoleon III. empfahl die Kommission für die historischen Denkmäler die Restauration der Burg von Coucy, zumindest aber sofortige Ausbesserungsarbeiten, um den Verfall aufzuhalten. Die Wahl lag zwischen Coucy und Pierrefonds, einer späteren und luxuriöseren Burg, die Ludwig von Orléans im späten 14. Jahrhundert hatte erbauen lassen. Da die Restauration von Coucy dreimal soviel gekostet hätte und Pierrefonds, da es näher bei Paris lag, von der Kaiserin Eugénie vorgezogen wurde, fiel die Wahl auf Pierrefonds. Der Architekt Viollet-le-Duc, ein großer Restaurateur mittelalterlicher Bauten, war über diese Entscheidung nicht glücklich. »Neben diesem Giganten sind die größten bekannten Türme nur Spindeln«, schrieb er. Alles, was er tun konnte, war, dem Leib des Giganten zwei Eisengürtel umzulegen, das Dach und die Risse in den Mauern auszubessern und einen Wächter einzustellen, der den Diebstahl der heruntergefallenen Steine verhüten sollte.
Still, verlassen, von Eulen bewohnt, lag das große Wahrzeichen ehrfurchtgebietend da. Touristen kamen, um es anzusehen, Archäologen, um seinen Aufbau zu studieren, Künstler, um seine Grundrisse und Monumente zu zeichnen. In dem Dorf an seinem Fuße ging das Leben weiter, die Straße, die sich den Hügel hinabwand und durch das Tal nach Soissons führte, war immer noch vielbefahren. Der donjon widerstand der Zeit, den Unordnungen des Menschen und den Unordnungen der Natur, nicht aber denen des 20. Jahrhunderts.
Wieder einmal Opfer einer Invasion, war die Picardie 1917
schon drei Jahre von der deutschen Armee besetzt. Prinz Ruprecht von Bayern, Befehlshaber der Sechsten Armee, legte General Ludendorff, dem Chef des Generalstabes, dringend nahe, die Burg von Coucy als eine einzigartige architektonische Kostbarkeit, die überdies keinen militärischen Wert habe, zu schonen. Keine Seite, führte er aus, habe versucht, sie für militärische Zwecke zu nutzen, und ihre Zerstörung »wäre nur ein sinnloser Schlag gegen unser eigenes Ansehen«. Ludendorff schätzte derlei kulturelle Appelle nicht. Da Coucy ihm nun unklugerweise zu Bewußtsein gebracht worden war, beschloß er, es zum Exempel
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