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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Franzosen ergab, brach Lord John Talbot, der Graf von Shrewsbury, von Bordeaux auf, um es zurückzuerobern. Basin zufolge neigte er von Natur aus eher »zu wilden Wagnissen als zum überlegten Angriff« und bestand gegen den Rat eines erfahrenen Leutnants auf einem Frontalangriff seiner berittenen Reisigen. Die Franzosen unter der Führung »eines gewissen Jean Bureau, Bürger von Paris, eines Mannes von kleinem Wuchs, aber von Entschlossenheit und Mut, der besonders erfahren und befähigt im Gebrauch der Artillerie« war, hatten ihr Lager mit einem Graben, einem Wall und mit »Kriegsmaschinen« befestigt – mit Kulverinen, Feldschlangen, Arbalesten und verschiedenen anderen Geschoßwerfern. Talbot und seine Ritter warfen sich auf diese Befestigungen und wurden von einem Hagel von Steinen, Blei und Geschossen jeder Art zurückgeworfen. Talbot starb, und seine Armee wurde vernichtend geschlagen. Bordeaux fiel wenig später. Nichts blieb England von seinem Kontinentalreich außer Calais und einem leeren Anspruch auf die französische Krone. [Ref 444]
    Der längste Krieg war vorüber, auch wenn sich vielleicht nur wenige dessen bewußt waren. Nach so vielen Waffenstillständen und Wiederausbrüchen – wer konnte schon wissen, daß das Ende gekommen war? Ohne Zeremonie oder Waffenruhe, Vertrag oder Einigung schwand das Abenteuer und die Agonie von fünf Generationen. Das Nationalbewußtsein war aus ihm hervorgegangen. Der Hundertjährige Krieg hatte zusammen mit den Krisen der Kirche die mittelalterliche Einheit zerbrochen. Die Bruderschaft des
Rittertums war zerschlagen, ebenso wie der Internationalismus der Universitäten unter der Wirkung von Krieg und Schisma nicht überleben konnte. Zwischen Frankreich und England hinterließ der Krieg eine Erbschaft gegenseitiger Feindseligkeit, die andauern sollte, bis die Notwendigkeit eine Allianz am Vorabend des Jahres 1914 forderte.
    Im Jahr von Castillon überwältigte der Irrsinn Heinrich VI. und löste die gleichen Machtkämpfe aus, die Frankreich so geschadet hatten. Beschäftigungslose Soldaten und Bogenschützen kehrten nach England zurück und verdingten sich den verschiedenen Parteiungen der Barone. Der Bürgerkrieg der Rosen trat nun an die Stelle des Krieges mit Frankreich. Im gleichen schicksalhaften Jahr 1453 fielen die mächtigen Befestigungen von Konstantinopel vor den Belagerungskanonen Mehmeds II. Die Türken hatten einen Artillerietroß von siebzig Kanonen vor die Stadt gebracht, darunter eine Riesenbombarde, die von sechzig Ochsen gezogen wurde und Kanonenkugeln von sechshundert Pfund Gewicht abschießen konnte. Der Fall von Byzanz lieferte das konventionelle Datum für das Ende des Mittelalters, aber ein zukunftsträchtigeres Ereignis fand zur gleichen Zeit statt. [Ref 445]
    Im Jahre 1447 druckte Gutenberg das erste Dokument in Mainz, dann 1453/54 die 42zeilige Bibel. »Die gotische Sonne«, hat Victor Hugo mit angemessenem Pathos gesagt, »ging hinter der gewaltigen Druckerpresse von Mainz unter«. Das neue Mittel der Verbreitung von Wissen und des Austausches von Ideen verbreitete sich mit unmittelalterlicher Geschwindigkeit. Druckerpressen tauchten in Rom, Mailand, Florenz und Neapel schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf und in Paris, Lyon, Brügge und Valencia in den 1470er Jahren. Die ersten Musiknoten wurden 1473 gedruckt. William Caxton stellte seine Druckerpresse 1476 in Westminster auf und veröffentlichte jenes noch immer unübertroffene Werk englischer Prosa, Malorys Morte d’ Arthur , im Jahre 1484.
    Die Tudors saßen nun auf dem englischen Thron, und eine formelle Einigung zwischen England und Frankreich wurde schließlich im Vertrag von Etaples 1492 niedergelegt, ein Jahr, das aus anderen Gründen bedeutend ist. Die Energien Europas, die einst ihr
Ventil in den Kreuzzügen gefunden hatten, richteten sich nun auf die Entdeckung und Besiedlung der Neuen Welt.
     
    Die Linie der Coucys hing nach dem Tod Enguerrands VII. an dem einen Faden von Maries Sohn Robert von Bar. Philippa starb ohne Nachkommen. Isabel, die Tochter aus Coucys zweiter Ehe, starb 1411, sechs Monate vor oder nach dem Tod ihres einzigen Kindes, einer Tochter. Perceval, der Bastardsohn von Coucy, hinterließ seine seigneurie in seinem Testament dem Gatten von Robert von Bars Tochter, was darauf hinweist, daß der einzige Sohn Enguerrands VII. kinderlos starb. Dennoch sollte der eine Faden zu einem König führen. Robert von Bars Tochter heiratete Ludwig von Luxemburg,

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