Der Fetisch-Mörder
Alle in den verschiedensten Stadien von Leben und Tod. Diverse Folterszenen. Die Farbbilder waren schlimmer als sämtliche Tatort-Fotos, die Andy je gesehen hatte. Auf ihnen war der Todeskampf gesichtsloser Körper dokumentiert, die bei lebendigem Leibe seziert wurden und sich vor Schmerz krümmten und wanden.
Sie hatten genug Beweise, um Ed Brown für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu bringen. Doch das war für Andy Flynn nur ein schwacher Trost. Regungslos saß er in seinem Auto. Auf dem Armaturenbrett lag ein Hamburger, der allmählich kalt wurde. Andy hatte keinen Appetit. Kein Mensch, der diese Polaroid-Fotos gesehen hatte, hätte jetzt einen Bissen heruntergebracht. Obwohl er seit einer Woche kaum geschlafen und nichts Ordentliches gegessen hatte, war er weder hungrig noch müde. Er hatte Makedde seit Tagen beobachtet und beschützt, und dann hatte er wie ein Vollidiot im entscheidenden Moment nicht aufgepasst.
Irgendetwas war ihm entgangen, etwas, das ihm den Weg weisen würde. Er musste nachdenken. Die Zeitschriften, die Fotos, die Schuhe, die Körperteile – nichts von alledem hatte Ed besonders gut versteckt. Seine Mutter wäre nicht in der Lage gewesen, die Sachen zu finden, doch er musste ziemlich sicher gewesen sein, dass auch sonst niemand danach suchen würde.
61
Wasser kroch an Makeddes Oberschenkeln hinauf. Sie hatte erneut das Bewusstsein verloren, doch das eiskalte Wasser, das immer höher stieg, ließ sie wieder zu sich kommen. Sie war immer noch in dem Lieferwagen. Ihr ganzer Körper schmerzte. Wie es sich anfühlte, hatte sie sich mehrere Knochen gebrochen. Ein paar Rippen hatte es auf jeden Fall erwischt. Ihr Schlüsselbein auch? Und einen Ellbogen? Ihre Arme waren praktisch nicht mehr zu gebrauchen, vor allem der linke. Wenigstens waren sie nicht mehr straff über ihrem Kopf festgebunden; sie lagen jetzt mit angewinkelten Ellbogen schlaff auf ihrem Brustkorb. Ihre Handgelenke waren immer noch aneinander gefesselt, doch durch den Aufprall waren die Ketten aus der Verankerung an der Wand gerissen worden.
Kein Rumpeln und keine Vibrationen mehr. Keine Bewegung. Nur das beruhigende Rauschen des um sie herum eindringenden Wassers. Der VW-Bus steckte teilweise im Wasser und neigte sich in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel; ihr zusammengekauerter Körper wurde gegen die Rückseite des Fahrersitzes gedrückt. Eigentlich hätte der Wagen längst versinken müssen. Vielleicht waren sie in einem flachen Gewässer gelandet. Das Wasser roch nicht salzig. Ein See? Oder ein Fluss?
Sie reckte den Hals und warf einen Blick in die Fahrerkabine. Leer. Der Mann war verschwunden. Die Tür war geschlossen, aber an der Fahrerseite war das Fenster heruntergelassen. War es schon vor dem Unfall offen gewesen? Nein. Also musste er durch das Fenster nach draußen gekrochen sein. Der Fenstergriff und das Armaturenbrett waren mit roten Streifen verschmiert. Die Windschutzscheibe war zersplittert. Überall Glasscherben. Er musste verletzt sein. Vermutlich hatte er sich aus dem Wagen befreit und sie zurückgelassen.
Makedde streckte die Beine und schob sich so, immer noch auf dem Rücken liegend, ein Stück höher. Dort reichte ihr das Wasser nur noch bis an die Knie, und es schien nicht weiter zu steigen. Mit brennenden Augen sah sie sich um und erblickte die Werkzeugkiste, die bei dem Aufprall gegen sie geknallt war. Alles sah anders aus als vorher, Schubladen waren aus ihren Fächern gerutscht, Teile der Wandverkleidung waren abgerissen und hingen lose herab. Die Schubladen waren voller Küchenbesteck – Messer und Gabeln, Campingutensilien. Nein. Keine Küchenmesser. Dafür waren sie zu lang und hatten zu feine Klingen. Auch keine Gabeln. Andere Instrumente. Sie glänzten und sahen nach Krankenhaus aus.
Immer noch schwindelig, schob sie sich zu einer der Schubladen hinüber. Sie war sauber und roch nach Desinfektionsmittel. Die Instrumente, die sie enthielt, waren makellos sauber. Skalpelle. Lange, dünne Messer. Etwas, das aussah wie eine feine Zange. Geräte, deren Bezeichnung sie nicht kannte.
Plötzlich hatte sie einen Geistesblitz. Ed Brown, der Sektionsgehilfe aus dem Leichenschauhaus. Jetzt wusste sie, wer er war.
Er hat eine Haarsträhne von Catherine für mich aufbewahrt.
Sie brauchte eine Waffe. Was, wenn er zurückkam? Mit ihren aneinander gefesselten Händen durchwühlte sie die Schublade, entschied sich für ein scharfes Messer mit einer langen Klinge und umfasste es mit beiden Händen.
Weitere Kostenlose Bücher