Der Feuergott der Marranen
Lager des Feindes.”
„Informator?” fragte Kaggi-Karr verdutzt. „Das verstehe ich nicht.”
„Siehst du, der Kasten wird uns wenig nutzen, solange der Holzfäller im finsteren
Keller sitzt. Du aber wirst im Violetten Land überall spähen und horchen können und
folglich über alles Bescheid wissen. Jeden Tag, Punkt zwölf auf der Sonnenuhr, werde
ich den Kasten bitten, dich mir zu zeigen, und du wirst uns mitteilen, was du
ausgekundschaftet hast.”
Die Krähe war von diesem Einfall begeistert. „Ich soll also Aufklärerin sein im Lager
Urfins?” „Genau!”
„Das hättest du doch gleich sagen können! Woher soll ich denn wissen, was Informator
bedeutet? Wo nimmst du nur all die kniffligen Worte her?”
„Da, Mütterchen, da!” tippte sich der Scheuch auf den sägespänegefüllten Kopf, in den
die Nadeln und Stecknadeln langsam zurückkrochen.
„Oh, nicht umsonst nennt man dich den Dreimalweisen”, sagte die Krähe respektvoll.
„Na, siehst du!” nickte der Scheuch geschmeichelt. Man durfte keine Zeit verlieren,
denn ein Vogelflug nach dem Violetten Lande dauerte volle 24 Stunden. Vor dem
Aufbruch sagte die Krähe:
„Falls ich etwas besonders Wichtiges erfahre, werde ich es über die Vogelstaffel
weitergeben. Du aber halte die Fenster des Thronsaales Tag und Nacht offen.”
Der Hofuhrmacher erhielt Order, den Herrscher jeden Tag kurz vor 12 an die Sendezeit
zu erinnern.
Am ersten Tag blieb die Sendung aus, weil die Krähe sich noch im Vorgelände des
Violetten Landes befand.
Am folgenden Tag aber klappte es. Kaggi-Karr hatte offenbar die genaue Zeit erfahren,
denn Punkt 12 sah der Scheuch sie auf dem Dach des Schlosses sitzen, die Augen der
Smaragdeninsel zugewandt.
„Lieber Freund”, sprach die Krähe langsam, so, daß jedes ihrer Worte deutlich zu
verstehen war. „Die Lage ist schlimmer, als wir dachten. Urfin Juice hat sich zum
Herrscher der Springer erhoben und eine große Armee aufgestellt. Wie er es geschafft
hat, weiß ich nicht. Auch kann ich dir nicht sagen, wie viele Soldaten er hat, denn sie
halten keine Minute still, rennen hin und her und springen wie toll herum, daß es
unmöglich ist, sie zu zählen. Aber es sind gewiß viel mehr als tausend. Sie haben das
ganze Violette Land erobert, die Zwinkerer ausgeplündert und ihnen alles Eßbare
genommen. Die Einwohner hungern. Sie essen wilde Kräuter und sammeln die
Getreidekörner ein, die nach der Ernte auf den Feldern geblieben sind. In ein paar
Tagen will Urfin gegen die Smaragdeninsel ziehen. Vorerst exerziert er mit den
Soldaten, die, das muß man sagen, recht dumm sind. Ich wollte den Eisernen
Holzfäller aufsuchen, konnte aber nicht in sein Gefängnis eindringen. Ich fürchte,
der Ärmste rostet ein. Dies wär’s für heute. Bis morgen zur selben Stunde!”
Die Krähe machte eine Verbeugung zu den unsichtbaren Zuhörern hin und flog in
einen nahen Obstgarten, um etwas zu sich zu nehmen. Der Scheuch wunderte sich,
wie klar Kaggi-Karr, trotz der Kürze ihres Berichts, die Vorgänge im Lager des
Feindes geschildert hatte. Er hätte ihr gern sein Lob ausgesprochen, aber das war
leider über den Fernseher nicht möglich.
DIE ERSTÜRMUNG DER SMARAGDENSTADT
Die Fernsehverbindung wurde wie verabredet jeden Tag um 12 Uhr hergestellt.
Aber es gab nichts Neues zu melden. Der Holzfäller sitze nach wie vor im Keller,
erzählte die Kundschafterin, aber nichtsdestoweniger sehe sie ihn jeden Tag. Er
werde täglich Urfin vorgeführt, der ihn zu überreden versuche, sich ihm zu
unterwerfen. Doch der eiserne Mann sei unerschütterlich. Nachdem er Kaggi-Karr
im Fenster des Palastes gesehen und begriffen habe, daß der Scheuch gewarnt sei,
habe sich sein Wille noch mehr gefestigt, und er ertrage jetzt die qualvolle
Gefangenschaft leichter als früher.
Das Exerzieren der Marranen nahm seinen Fortgang. Die Rekruten lernten Marschieren
in Reih und Glied, Ausschwärmen, Wendungen und ähnliche militärische Weisheiten.
Urfin verbrachte alle Tage von früh bis spät bei seinen Soldaten.
Vom Dienstpersonal des Violetten Palastes hatte er nur die Köchin Fregosa behalten,
weil sie so gut kochte. Sie diente schon viele Jahre im Palast und wußte von Bastinda zu
erzählen, die eine Schlemmerin gewesen war, aber alles Flüssige, z. B. Mus oder
Kompott, verabscheute. Trotz aller Vorsicht war die Hexe durch eine Flüssigkeit
umgekommen. Als Elli einen Eimer Wasser auf sie ausgoß, zerschmolz sie und war auf
der
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