Der Feuerstein
herauszubekommen, wie es sein kann, dass ein Dienstmädchen mehr Sympathie für ein Badetuch empfindet als für eine Prinzessin.
Aber andererseits ist auch nicht mein wichtigstes Ziel im Leben, von Ariñas Zofe gemocht zu werden. »Ximena ist noch nicht zurück?«
Cosmé zuckt zusammen, und ein Handtuch rutscht auf die Steinfliesen. »Es tut mir leid, Hoheit. Ihr habt mich erschreckt.« Schon ist ihr Gesicht wieder ausdruckslos schön.
»Ich bin sicher, dass dem Handtuch nichts passiert ist. Wo ist nun meine Kinderfrau?«
»Sie ist ausgegangen, um Besorgungen zu machen, und wollte dann Vater Nicandro im Kloster aufsuchen.«
Nun kann ich ein Lächeln nicht unterdrücken. »Sie war früher eine sehr gute Schreiberin.«
Ihre schwarzen Augen weiten sich. »Lady Ximena?«
Ihr verblüfftes Gesicht bereitet mir eine diebische Freude, und außerdem genieße ich es, ein bisschen mit Ximena anzugeben. Nur zu gern möchte ich diesem schnippischen Mädchen sagen, dass meine Kinderfrau zu den klügsten und gebildetsten Menschen zählt, die ich kenne, und dass ihr eine Haarnadel genügt, um einen Mann zu töten. Aber natürlich kommt nichts dergleichen über meine Lippen.
»Ich glaube, Ximena hat Euch nicht so früh zurückerwartet«, sagt Cosmé in das Schweigen hinein.
Seufzend lehne ich mich gegen einen Bettpfosten. »Seine Königliche Unartigkeit war ein wenig schwierig. Wir mussten
weit vor dem Abendessen zurückkehren, und trotzdem bin ich erschöpft.«
Cosmé tritt auf ihre unnachahmlich schwebende Art zu mir. »Da Ximena nicht da ist, kann auch ich Euch beim Umziehen helfen. Und dann lasse ich Euch gern ein Bad ein, wenn Ihr möchtet.«
Mein müder, schwerer Kopf braucht den Bruchteil einer Sekunde, um zu bemerken, dass sie schon nach der dünnen Schärpe fasst, die um meine Taille liegt. Zwar trete ich hastig einen Schritt zurück, aber es ist zu spät. Schon sind ihre schlauen Finger von nachgiebigem Fleisch zu hartem Stein geglitten.
Obwohl ich ein Stück von ihr entfernt stehe, hält sie die Arme immer noch erhoben, und sie starrt ihre Fingerspitzen an, als seien sie etwas Abscheuliches, Fremdartiges, das plötzlich und unerwartet an ihre Hände geraten ist. Als sie endlich den Kopf hebt und meinem Blick begegnet, rinnen ihr Tränen über die Wangen.
»Ihr!«, flüstert sie. Ihr Mund verzieht sich angeekelt. »Wie ist es nur möglich, dass Ihr das seid?«
Das Juwel pulsiert heiß in meinem Bauch. Übelkeit macht sich darunter breit.
Cosmé schüttelt den Kopf und raunt: »Das kann doch gar nicht sein. Das ist doch nicht möglich. Vielleicht ist es ein Irrtum.« Sie wischt sich die Tränen mit dem Handrücken ab.
»Cosmé.«
»Ihr könnt es nicht sein. Doch nicht Ihr. Die Trägerin soll doch vor allem …«
»Cosmé!« Nun verstummt sie und sieht mich an: mein Gesicht, meine Hände, vor allem meinen Bauch. Ich kann
genau den Augenblick erkennen, an dem sie sich wieder im Griff hat. Ein kurzes Aufflackern des Entsetzens, dann liegt erneut der gewohnte Schleier der Ruhe über ihren Zügen.
»Darf ich gehen?« Ihr Gesicht mag wieder gelassen wirken, aber ihre Stimme schwankt noch immer leicht.
»Nein.« Ich gehe auf sie zu. »Cosmé, du darfst niemandem etwas davon erzählen.«
»Natürlich nicht, Hoheit. Eine gute Zofe ist stets diskret.«
»Ja, davon bin ich überzeugt.« Ich lächele humorlos und hoffe, dass meine Miene zumindest ein wenig an das gefährliche Lächeln heranreicht, das Alodia stets so erfolgreich einzusetzen versteht. »Vielleicht sollte ich mich noch deutlicher ausdrücken. Vor nicht allzu langer Zeit hat jemand – ein erfahrener Krieger – entdeckt, dass ich den Stein trage. Nur wenige Augenblicke später hat ihn Ximena mit einer Haarnadel getötet.« Jetzt spüre ich, dass mein Lächeln wirklich gefährlicher wird. Es gleicht nicht unbedingt Alodias, aber dafür ist es mein eigenes, jetzt, wo ich doch noch mit meiner Kinderfrau angeben kann.
Ich entlasse die Zofe erst, als ich das Gefühl habe, dass in ihren Augen ein Funken des Begreifens zu lesen ist.
Ich erzähle Ximena nichts von dieser kleinen Szene mit Cosmé. Zwar habe ich für die Zofe nicht allzu viel übrig, aber ich möchte trotzdem nicht, dass sie stirbt. Ihre so überaus leidenschaftliche Reaktion auf die Entdeckung des Steins geht mir immer noch im Kopf herum. Ich muss es jemandem sagen. Vielleicht Vater Nicandro. Ich werde ihn morgen aufsuchen.
Vor dem Schlafengehen halten wir uns an unsere übliche
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