Der Feuerstein
ins Gesicht. Er sieht Alejandro unglaublich ähnlich, mit seinem schwarzen Haar, das sich im Nacken ringelt, und den braunen Augen, die wie edles Mahagoni kleine rote Reflexe aufweisen. Aber während Alejandro Lachfältchen hat und stets ein leises Lächeln seine Lippen kräuselt, ist Rosario zornig und unberechenbar wie eine zusammengerollte Kobra. Es macht mich traurig. Für so viel wütende Verzweiflung ist er noch viel zu klein.
»Ich habe dir gesagt, dass es keine Milch gibt, wenn du nicht brav bist. Und das, was ich sage, halte ich auch.«
Er sieht mich finster an. Ich erwidere seinen Blick. Neben mir spüre ich Lord Hectors Zustimmung wie ein ruhiges, tröstliches Gewicht.
»Papá hält nie, was er sagt.«
»Ich schon.«
Plötzlich geht eine Veränderung über das Gesicht des Prinzen, und seine Züge werden weich und engelsgleich. Die Hand, die ich noch immer festhalte, hört auf zu ziehen. Aber ein kleines, verräterisches Zucken blitzt in seinen Augen auf, und daher lockere ich meinen Griff kein bisschen, während wir die langen Flure zu seinen Gemächern entlanggehen.
Seine Kinderfrau wechselt gerade die Laken auf seinem Bett, als wir eintreten, und sie wirft mir einen vorsichtigen Blick zu.
Prinz Rosario sieht zu mir hoch. »Werdet Ihr mich wieder einmal besuchen? Hoheit?«
Ich hebe die Augenbrauen. »Wirst du versuchen, brav zu sein?«
Er nickt treuherzig.
»Dann ja. Ich denke, wir sollten schon bald wieder einen gemeinsamen Ausflug machen.«
Er lächelt. »Versprochen?«
»Versprochen.« Der ganze Tag war unglaublich anstrengend. Es fällt mir schwer zu glauben, dass er diese Erfahrung tatsächlich noch einmal wiederholen will. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das möchte.
Aber sein Lächeln ist wie die Sonne, die groß und hell über der Sierra Sangre aufgeht. Ganz plötzlich stürmt er auf mich zu und schlingt mir die Arme um die Hüften. Ich tätschele ihm ungelenk den Kopf und sehe, dass Lord Hectors Schnurrbart zuckt. Als mich der Junge wieder loslässt, fühle ich mich plötzlich seltsam leer und kalt.
Zwar gebe ich seiner Kinderfrau die strikte Anweisung, ihm trotz allem Bitten und Betteln keine Kokosmilch zu geben, aber ich glaube nicht, dass ich mich auf sie verlassen kann. Als sich die Tür hinter uns schließt, wende ich mich an meinen Begleiter.
»Lord Hector, würdet Ihr mir einen Gefallen tun?«
»Gern.«
»Könntet Ihr in der Küche vorbeischauen? Die Dienerschaft sollte von der schlimmen Übelkeit erfahren, die Seine Hoheit heute befallen hat. Daher sollte ihm, wenn er nach Kokosmilch fragt, lieber Wasser oder dünner Tee gebracht werden.« Vielleicht bin ich zu hart zu dem Jungen. Und es
kommt mir unfair vor, dass ich ihm etwas verbiete, was ich selbst als großen Trostspender entdeckte, als ich in seinem Alter war.
»Natürlich, Hoheit. Ihr habt heute einen mächtigen Verbündeten gewonnen.«
Ich bin nicht sicher, ob er sich selbst damit meint oder Prinz Rosario. »Elisa«, sage ich leicht ungeduldig. »Bitte nennt mich Elisa. ›Hoheit‹ ist nur für säumige Dienstboten und einsame Kinder.«
Endlich grinst er, echt und wahrhaftig, die Sorgenfalten in seinem Gesicht glätten sich, und plötzlich ist er da, der unbestreitbare Beweis, dass dieser Mann tatsächlich manchmal lacht. Er bietet mir seinen kräftigen Arm und begleitet mich zu meinen Gemächern, wo Cosmé mein Bett vorübergehend als Aufbewahrungsplatz für frische Wäsche genutzt hat. Einen Augenblick bleibe ich mit müden Füßen in der Tür stehen und sehe ihr zu. Ihre geschickten Finger gleiten mit einem leisen Schlag über Handtücher und Laken und falten sie wie durch Zauberhand genau an der richtigen Stelle. Einer der Vorhänge, dessen goldene Gaze wieder in vollem Glanz erstrahlt, liegt ebenfalls über einer Ecke meines Bettes. Daneben türmt sich ein Stapel mit gemusterten Badetüchern in verschiedenen Blautönen. Wie viel Arbeit dahintersteckt, diese Räumlichkeiten so schön und adrett zu halten! Mir war nicht einmal aufgefallen, dass der Vorhang gewaschen werden muss.
Cosmé summt bei der Arbeit vor sich hin, eine aufmunternde Hymne, die, wie ich mich erinnere, im Gottesdienst letzte Woche gesungen wurde. Sie fühlt sich unbeobachtet und ist nicht auf der Hut wie sonst, und plötzlich wird mir
klar, dass der übliche ausdruckslose Blick gar nicht ihr natürlicher Gesichtsausdruck ist. Ich beobachte sie eine ganze Weile und versuche, diese andere Cosmé zu verstehen und
Weitere Kostenlose Bücher