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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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tun kann?«
    Er sieht mit ernstem Gesicht zu Boden. »Er kann uns retten.«
    Ich will schon protestieren, halte aber gerade rechtzeitig noch inne. Vielleicht hängt mein Überleben davon ab, dass sie weiterhin glauben, ich könnte ihre Hoffnungen erfüllen.
    Seine nächsten Worte spricht er in weichem Singsang: »Und Gott erwählte sich unter den Menschen einen, der für ihn stritt. Dies geschieht in vier Generationen stets einmal. Er erhob ihn zu sich, dass er sein Zeichen trüge.«
    »Das ist aus Homers Afflatus!« Überrascht packe ich seinen Oberarm. »Du weißt davon!«
    Er sieht mich verblüfft an. »Natürlich.«
    Ausgerechnet in diesem Augenblick ruft uns Cosmé zum Abendessen.
    »Mal wieder Suppe!«, sagt Humberto und wendet sich zum Gehen. Ich schlurfe hinter ihm her und stähle mich innerlich, um einen selbstbewussten Eindruck zu machen und wie jemand zu erscheinen, der tatsächlich andere retten kann.
    Da die Temperatur überraschend schnell gesunken ist, bin ich dankbar für das warme Feuer und setze mich Cosmé gegenüber. Wir sind zu fünft, ich eingeschlossen. Fünf, die göttliche Zahl der Vollkommenheit. Im Unterricht bei Meister Geraldo habe ich gelernt, dass die Wüstennomaden stets darauf achten, dass sie zu fünft reisen oder in einer Gruppe,
deren Zahl durch fünf teilbar ist, weil sie sich davon Glück und Segen erhoffen.
    Cosmé reicht jedem von uns eine kleine Schale. Zunächst beobachte ich die anderen, und als ich sehe, dass niemand Besteck benutzt, setze auch ich die Schale einfach so an die Lippen und schiebe mir die Fleischbrocken mit meinen staubigen Fingern in den Mund. Jeden Tropfen lecke ich heraus, und mein Magen gurgelt leise. Zwar hat die Suppe den schlimmsten Hunger gestillt, aber ich bin alles andere als satt. Enttäuscht setze ich die Schale ab. Cosmé sieht über das Feuer hinweg zu mir herüber. Die Sonne ist schon lange verschwunden, und die zuckenden Flammen lassen bedrohliche Schatten über ihr Gesicht wandern.
    »Hoheit«, sagt sie sanft und leise. »Du bekommst dieselbe Ration wie alle anderen.«
    Ich halte ihrem Blick stand. »Ich habe nicht nach mehr verlangt.«
    Sie steht auf, bürstet sich die Beine ab und kippt dann einen ganzen Eimer Sand über das Feuer, um die Flammen zu ersticken. Nun wird unser Lager nur noch von zwei kleinen Fackeln erhellt sowie vom blassen Schimmern der Sterne. So, wie sie uns in tiefstem Schwarz umfängt, erscheint die Wüste riesengroß. Wir begeben uns zu unseren Zelten. Ich wickele mich gegen die Kälte fest in meine Decken und merke, dass ich ihren dumpfen Geruch beinahe als tröstlich empfinde. Meine letzten Gedanken gelten Homers Afflatus und den Toren des Feindes.
     
    Früh am nächsten Morgen packe ich nach einem viel zu spärlichen Frühstück aus Dörrfleisch und getrockneten Datteln
mein Zelt selbst zusammen. Es dauert länger als bei den anderen, und meine Arme zittern anschließend vor Anstrengung, aber ich schaffe es. Dann wird mir klar, dass ich wieder laufen muss. Meine Beine tun so weh, vor allem oberhalb der Knöchel, dass mir schon bei den ersten Schritten die Tränen in die Augen steigen. Humbertos dick eingemummte Gestalt geht voran und hat sich bereits ein ganzes Stück entfernt. Er führt uns auf unserem heißen Weg, und von daher wird es erst dann wieder eine Möglichkeit geben, mit ihm über Homers Prophezeiung zu sprechen oder Fragen zu stellen, wenn wir eine Rast einlegen.
    Quälend langsam mühe ich mich durch den Sand, und es dauert nicht lange, da haben sich meine Entführer in dunkle Punkte am orangegelben Horizont verwandelt. Eigentlich sollte ich mich fragen, ob sie mich aufgegeben und der grausamen Wüste überlassen haben. Ich sollte mich fragen, ob ich hier sterben werde und mein Körper sich in eine eingetrocknete Schote verwandeln wird. Mein Magen ist ein klaffendes Loch unter meinen Rippen, in dem der Hunger wütet. Aber noch schlimmer ist, dass hinter meinen Augen ein Kopfschmerz pocht und mir Übelkeit erregend schwindlig ist. Ich brauche unbedingt etwas Süßes, damit der Kopfschmerz vergeht, doch ich weiß nur zu genau, dass ich nichts dergleichen bekommen werde.
    Der Wind frischt auf und bläst mir Sand ins Gesicht. Ohne anzuhalten wickele ich mir das Tuch über die Nase und stecke es so fest, wie Humberto mir gezeigt hat. Dann kämpfe ich mich weiter voran.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, aber plötzlich spüre ich, dass mich jemand am Arm fasst. Als ich blinzelnd
aufsehe, durch

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