Der Feuerthron
gleichzeitig begannen ihre Wunden wieder zu bluten.
Die Alte schrie auf. »Sie hat den Erstarrungszauber gebrochen! Jetzt wird Salintah hier sterben, und aus dieser gelbmagischen Höhle wird ihr Geist niemals den Weg zu Giringar finden!«
In ihrer Panik presste Mera die Hände auf die klaffende Wunde. Ihr Kopf war wie leer gefegt, und sie wusste nicht einmal mehr, wie sie Careelas Platzwunde geschlossen hatte. Verzweifelt betete sie, dass ihre Kräfte wiederkehren sollten, und kämpfte gegen die Dunkelheit des Todes an, die sie zu verschlingen drohte.
Die anderen sahen, wie aus Meras Augen helle blaue Flammen schlugen und sie selbst und die Verletzte in ein strahlendes blaues Licht gehüllt wurden. Salintah sank jetzt wieder zurück, doch ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig. Gleichzeitig glühten die Ränder ihrer Wunde auf und begannen sich ganz langsam zu schließen.
Nach kurzer Zeit wankte Mera und vermochte sich kaum mehr auf den Beinen zu halten. Girdhan eilte zu ihr und hielt sie fest. Dabei floss ein dünner, aber steter Strom Schwarzmagie von ihm zu seiner blauen Freundin und weiter zu der Verletzten.
Girdhala sah es, umarmte die Heilerin und lieh ihr, so gut es ging, auch ihre Kräfte.
Da Mera nun über weitere Magie verfügte, ging alles sehr rasch. Die Wunde der Verletzten schloss sich, gleichzeitig erlosch das blaue Licht, und Mera sackte in den Armen ihrer beiden Helfer zusammen. Ihr Gesicht war bleich, und nun traten fein verästelte, blaue Linien darauf hervor. Obwohl sie bewusstlos war, öffnete sie ihren Mund, so als würde sie schlucken.
Girdhala war geübt genug, um den Kräfteverschleiß zu erkennen, den Mera eben erlitten hatte, und befahl der Alten, eine Flasche Starkwasser zu bringen.
»Wird sie nicht daran ersticken?«, fragte Girdhan besorgt. Girdhala schüttelte den Kopf. »Nicht wenn wir es ihr vorsichtigeinflößen. Aber dazu brauche ich deine Hilfe. Du bist doch einer von uns, nicht wahr? Wie heißt du eigentlich?«
»Dhan«, antwortete Girdhan und unterschlug dabei die erste Silbe seines Namens.
»Also gut, Dhan.« Girdhala wirkte enttäuscht.
Die Alte aber ließ beinahe die Flasche fallen, die sie aus einer Art kristallenem Kasten genommen hatte. »Heißt deine Mutter Dhana?«
Ohne ihr zu antworten, nahm Girdhan ihr das Fläschchen aus der Hand und reichte es Girdhala. »Sieh zu, dass du Mera wieder auf die Beine bringst. Wir brauchen sie dringend.«
Girdhala entkorkte das Gefäß und träufelte mehrere Tropfen auf Meras Zunge. Erleichtert sah Girdhan, wie das Gesicht seiner Freundin wieder etwas Farbe annahm.
»Sie kommt wieder auf die Beine«, sagte Girdhala und sah dabei Salintah an, auf deren Bauch sich eine durchscheinende Haut über frischem, rosigem Fleisch spannte. Auch sie würde wieder auf die Beine kommen, und das erschien ihr im Augenblick als das größte Wunder.
8
Hannez saß auf einem der höchsten Bä ume am Rande des Hexenwaldes von Ilyndhir und hatte die Zweige beiseitegeschoben, um das, was an der Küste geschah, besser beobachten zu können.
Neben ihm saß Meraneh und weinte. »Dass ich das erleben muss!«
Hannez knurrte unwirsch, um sein eigenes Entsetzen nicht zu verraten.
Ungehindert marschierten lange Kolonnen aus Gurrland dieKüstenstraße entlang und würden in wenigen Stunden am Südufer des Flusses stehen. Kein einziger ilyndhirischer Soldat stellte sich ihnen in den Weg. Wer eine Waffe tragen konnte, hockte hinter den Mauern der Hauptstadt und bemühte sich, nicht allzu stark zu zittern. Hannez war noch zweimal in Ilynrah gewesen, um Neuigkeiten zu erfahren, und beim letzten Mal wäre er beinahe erwischt worden. Berrell, der ehemalige Steuerschätzer im Fischersechstel, war zum Stadtkommandanten aufgestiegen und befragte nun jeden, der die Stadt verlassen wollte. Auch ließ er die, die nicht schnell genug antworteten, bis aufs Hemd ausziehen und ihre Sachen von den Bütteln durchsuchen. Nur wenigen wurde gestattet, die Stadt zu verlassen. Daher hatte Hannez bis in die Nacht warten, durch einen Abwasserkanal zum Fluss waten und das Absperrgitter abschrauben müssen, um aus Ilynrah herauszukommen.
Seit diesem Erlebnis wagte er sich nicht mehr in die Stadt hinein. Es schüttelte ihn immer noch, wenn er an die Zustände dort drinnen dachte. Die Menschen waren mit eingezogenen Köpfen und leblosen Gesichtern herumgeschlichen, und über der Stadt hatten Hoffnungslosigkeit und Angst wie eine dunkle, schwere Wolke gehangen, die auch ihn
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