Der Feuerthron
ihnen verlockender zu versuchen, dem Kaiser von Gurrland auf seiner eigenen Insel einen Stachel ins Fleisch zu stoßen, auch wenn sie dies ebenfalls mit ihrem Leben bezahlen mussten.
»Wir werden achtzehn sein, siebzehn Lebende und eine Tote, nämlich ich. Alle anderen bleiben hier. Thalan wird die Zurückbleibenden anführen. Er ist ein Fremder und wird sich daher weniger von seinen Gefühlen leiten lassen als jene, die ihre Verwandten und Freunde in der Hand des Feindes wissen.«
Einige Ilyndhirer protestierten, doch ein Blick in die aufflammenden Augen der Geisterfrau ließ sie verstummen. »Wenn der Tag sich neigt«, sagte sie, »werden wir den Wald verlassen und uns zu der versteckten Bucht begeben, in der das Boot liegt. Für das, was danach kommt, brauchen wir den Segen aller Göttinnen und Götter. Also betet, damit wir ihn bekommen!«
9
Das gu rrländische Heer erreichte das Südufer des Flusses bereits am Nachmittag desselben Tages. Mit einem beherzten Einsatz der Hexen und Adepten sowie den vorhandenen Schleudergeschützen wäre es noch möglich gewesen, den Feind daran zu hindern, auf der Fläche des einstigen Fischersechstels einzumarschieren und dort sein Lager aufzubauen.
Obwohl die Soldaten und Stadtgarden sich vor Angst beinahe in die Hosen machten, wären sie bereit gewesen, Ilynrah zu verteidigen, doch der Befehl, den Feind unter Beschuss zu nehmen, unterblieb. Es tauchte auch keine Hexe und kein Adept auf, um Schutzzauber zu sprechen oder ihnen auf eine andere Art und Weise zu helfen. Den Leuten, die zum Magierturm im Palastsechstel in der Hoffnung hochblickten, dort täte sich etwas, erschien es, als sei das Gebäude, dessen Fenster bei Vorbereitungen auf größere Ereignisse sonst blau geleuchtet hatten, völlig verwaist.
Dabei hätte es für die Hexen und Adepten viel zu tun gegeben. Die Gurrländer stellten eine magische Waffe nach der anderen auf und begannen noch in der Nacht, die Stadt mit Feuerkugeln zu beschießen. Nur Augenblicke später brannten die ersten Häuser, und die Einwohner hatten alle Hände voll zu tun, die Feuersbrunst einzudämmen.
Berrell, der einstige Steuerschätzer im Fischersechstel, den ein unerklärlicher Zufall auf den Posten des Stadtkommandanten manövriert hatte, ließ sich zwar in voller Rüstung und mit dem Schwert in der Hand auf dem Balkon des Palastes sehen, tat aber nichts, um die Ordnung in Ilynrah aufrechtzuerhalten.
Viele Städter und die meisten Bewohner des Umlandes, die sich von der Stadt Sicherheit versprochen hatten, verließen Ilynrah, und so ergossen sich drei Flüchtlingsströme durch das Nord-, das Ost- und das Hafentor. Die einen versuchten, ins Hinterland zugelangen, und die anderen hofften, auf einem der Schiffe die Insel verlassen zu können. Daraufhin nahmen die Gurrländer nun auch den Hafen unter Beschuss und setzten mit ihren magischen Feuerkugeln die Schiffe in Brand.
In der Stadt selbst herrschte das Chaos. Einige Offiziere bedrängten Berrell und verlangten von ihm, dass er Befehle gebe; andere forderten lautstark den Einsatz der Hexen. Der Stadtkommandant saß jedoch starr auf dem Sessel, den er neben den verwaisten Thron der Königin gestellt hatte, und jammerte, dass alles verloren sei.
»Wenn wir verloren sind, dann ist es deine Schuld!«, schrie ihn ein bereits greiser Verwandter der Königin an, der sich geweigert hatte, die Flucht anzutreten. Nun pochte er mit brüchiger Stimme auf seinen hohen Rang und kritisierte den ehemaligen Steuerschätzer heftig. Seine Anklage gipfelte darin, dass er das größere Recht habe, den Posten des Stadtkommandanten einzunehmen, da der jetzige sich als völlig unfähig erwiesen hätte.
Berrell stampfte mit dem Fuß auf. »Ich habe uns die Gurrländer nicht auf den Hals gehetzt! Das war ganz allein die Königin, die unbedingt auf Gelonda Partei ergreifen musste. Da ist es kein Wunder, dass Gurrland jetzt uns angreift. Wir können ihnen nichts entgegensetzen, denn sie sind viel stärker als wir. Ich werde einen Parlamentär hinüberschicken und die Übergabe der Stadt anbieten.«
»Was willst du tun?« Dem Verwandten der Königin fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. »Verdammter Narr! Gib endlich den Befehl, zurückschießen zu lassen. Noch ist nichts verloren. Unsere Truppen können die Stadt halten.«
»Dann wird sie vom Feuer verzehrt und jeder, der sich noch darin aufhält, ebenfalls. Nein! Nein! Nur die bedingungslose Kapitulation kann uns noch retten!« Berrell brach in Tränen
Weitere Kostenlose Bücher