Der Feuerthron
verwunschenen Wald, während Mera mit beiden Fäusten auf Hannez einschlug.
»Du bist noch grausamer als die Büttel der Königin. Dort wird Girdhan zugrunde gehen!«
Hannez fing die Hände des Mädchens ein und schüttelte es. »Jetzt nimm Verstand an! Es ist der einzige Weg, der uns bleibt. Überall sonst finden uns Ilnas Leute.«
»Aber im Hexenwald gehen schlimme Dinge vor. Niemand betritt ihn freiwillig, und von denen, die es doch tun, kommen die wenigsten zurück.«
»Ganz so schlimm ist es auch wieder nicht. Ich war als Junge auch einmal drinnen und bin wieder herausgekommen. Zugegeben, der Wald ist etwas seltsam, und man mag auch nicht gerne hineingehen. Aber von Verschwundenen oder gar Toten habe ich selten gehört.«
»Aber es gab sie!«, fauchte Mera ihn an.
»Die haben wahrscheinlich den Fehler gemacht, dort Holz zu hacken, und das mögen die Bäume des Hexenwaldes ganz und gar nicht. Du wirst sehen, er ist bei Weitem nicht so übel, wie die Leute sagen.« Hannez hörte sich optimistischer an, als er sich fühlte. Das eine Mal im Hexenwald hatte ihm gereicht, und er hätte ihn freiwillig kein zweites Mal mehr aufgesucht. Aber in dieser Situation gab es keinen anderen Ausweg.
Als er sich Girdhan wieder über die Schulter wuchtete und weiterging, flehte er die Große Ilyna an, gnädig zu sein und ihnen zu helfen.
8
D er Weg zum Hexenwald zog sich länger hin, als sie erwartet hatten. Es dämmerte bereits, als der Waldsaum in Sicht kam, und in der beginnenden Dunkelheit wirkte der mächtige Forst noch unheimlicher als untertags. Die Blätter der hohen Bäume strahlten ein blaues Licht aus, das wie eine Warnung wirkte, nicht näher zukommen, und die drei glaubten, ein Stöhnen und Seufzen zu vernehmen, das ihnen ebenfalls zu raten schien, keinen Schritt mehr weiterzugehen.
Hannez blieb mit einem Mal wie von Panik erfüllt stehen, ließ Girdhan zu Boden gleiten und sah sich hilflos um. »Ich glaube, es war doch keine so gute Idee hierherzukommen. Wir sollten ein anderes Versteck für Girdhan suchen.«
Mera schüttelte energisch den Kopf. »Du hast selbst gesagt, der Hexenwald sei der einzige Ort, an dem wir uns verstecken können!« Sie wunderte sich, dass sie wir sagte, obwohl nur Girdhan hierbleiben sollte. Aber als sie den Jungen, der wie erstarrt auf der Decke saß, ansah, begriff sie, dass er keinen Herzschlag lang allein hier zurückbleiben würde. Sie würde bei ihm bleiben und ihm die Angst nehmen müssen. Gleichzeitig wunderte sie sich, woher sie selbst den Mut nahm, diesen Ort betreten zu wollen.
Der Wald schien lebendig und so voller Zauber zu sein, dass sie seine Kraft spürte. Während sich der Schleier der Nacht über das Land senkte, strahlte das Blau der Blätter so stark, dass es sich im weichen Moos spiegelte, welches wie ein Teppich den Boden zwischen den Stämmen bedeckte. Es dauerte eine Weile, bis Mera begriff, dass auch das Moos zu glimmen schien, und als sie ein paar Schritte darüberging, leuchteten ihre Fußstapfen so hell, dass man ihnen leicht hätte folgen können.
Es gab kein Unterholz, nur gelegentlich ein paar Büsche an jenen Stellen, an denen die Bäume etwas weiter auseinanderstanden. Dennoch bildeten ihre Kronen ein so dichtes Blätterdach, als wollten sie jeden Strahl der Sonne oder der sechs Monde vom Boden fernhalten. Das aufgeregte Seufzen und Stöhnen war inzwischen zu einem leisen Wispern geworden und hörte sich für Mera auch nicht mehr bedrohlich an. Mit einer energischen Bewegung wandte sie sich an Hannez und Girdhan. »Kommt jetzt endlich! Oder wollt ihr, dass die Büttel uns doch noch erwischen?« Mit diesen Worten tauchte sie in den blauen Lichtschein des Waldes ein.
Girdhan biss die Zähne zusammen und folgte ihr, Hannez aber wich ein paar Schritte zurück. »Sucht ihr euch ein Versteck. Ich kehre in die Stadt zurück, um nachzusehen, was dort los ist. Morgen bringe ich euch Lebensmittel an diese Stelle. Vielleicht weiß ich dann auch schon, auf welchem Weg ich Girdhan von hier wegbringen kann. Wir werden einen Ort finden, an dem die Leute nicht so verrückt sind wie hier in Ilynrah.«
Während Girdhan erleichtert nickte, wiegte Mera nachdenklich den Kopf. Hannez schien überzeugt zu sein, dass der Junge in den ländlicheren Teilen von Ilyndhir Zuflucht finden konnte, doch sie bezweifelte es. Aber sie wusste keinen Ort, der Girdhan stattdessen Sicherheit bieten konnte. Die Gurrländer würden ihn versklaven oder töten, wenn sie ihn in die Hände
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