Der Feuerthron
bekamen. Wardania und Teren fielen ebenfalls aus, denn beide Inseln zählten zum Reich Ilnas V., und deren Befehle würden dort ebenso befolgt werden wie hier. Auf Gelonda herrschte Krieg, und die Bewohner würden einen Gurrlandmischling wohl kaum bei sich aufnehmen. Da blieb nur Malvone. In diesem Reich wurde der grüne Dämonengott Talien angebetet, und es lag traditionell mit den Nördlichen Inseln im Streit. Möglicherweise waren die Leute dort bereit, Girdhan aus diesem Grund zu helfen.
Es war eine sehr kleine Hoffnung, aber die einzige, die ihnen blieb. Mera sah Hannez nach, der sich grußlos umgedreht hatte und mit so langen Schritten in die Nacht hineinlief, als wären sämtliche Dämonen der grünen Hölle hinter ihm her. Dann drehte sie sich zu Girdhan um, der ebenfalls so aussah, als würde er am liebsten davonrennen.
»Komm mit! Wir müssen noch tiefer in den Wald eindringen. So nah am Rand könnten uns Leute sehen und es den Bütteln melden!«
9
Der Palast der Königin befand sich inmitten eines kunstvoll angelegten Parks an der höchsten Stelle der Stadt, weit weg von den ungepflasterten Gassen des Fischersechstels jenseits des Flusses. Im Park stand Torrix’ Magierturm, ein mehrstöckiges, sechseckiges Gebilde aus blau schimmerndem Stein, in dem neben dem Hofmagier und der zweiten Hexe auch die nachrangigen Zauberer und Heilerinnen wohnten und arbeiteten. Die Kammern, die Torrix benutzt hatte, waren durch Zauberschlösser versperrt, die selbst seine Stellvertreterin nicht öffnen konnte. Daher war es Yanga nicht möglich, die geheimen Aufzeichnungen des Hofmagiers zu lesen und auszuwerten.
Nun stand die Zweite Hexe mit betretener Miene im Audienzsaal vor einem erhöht stehenden Stuhl, auf dem Ilna V. Platz genommen hatte. Im Augenblick wirkte die Königin nicht wie die erhabene Herrscherin über Ilyndhir und die Nördlichen Inseln, sondern wie eine von Angst geschüttelte Frau mittleren Alters. Die blaue Schminke auf ihrem Gesicht war zerlaufen, und ihre Hände umkrampften das Zepter, als sei es ihr einziger Halt in einer aus den Fugen gehenden Welt.
»Du weißt also auch nicht, was Torrix geplant hat?«, fragte sie die Hexe zum wiederholten Mal.
Yanga hob in einer verzweifelten Geste die Hände. »Er hat es mir nicht mitgeteilt, sondern wollte vorher mit dieser Wetterfühlerin reden. Wo das hingeführt hat, sehen wir ja nun.«
Yangas Stimme bebte vor Eifersucht auf Merala. Einst war sie die Schülerin der großen Heilerin gewesen, und als ihre Ausbildung abgeschlossen war, hatte sie sich um den Platz der Zweiten Hexe beworben, der nach Meinung nicht weniger Leute Merala zugestanden hätte. Da die ältere Merala die Stelle jedoch abgelehnt hatte, war Yanga die Stellvertreterin des Hofmagiers geworden. Aberungeachtet ihres hohen Amtes und ihrer Fähigkeiten, hatte Torrix, als Gefahr heraufzog, nicht ihren Rat, sondern den der alten Frau gesucht. Nun machte sie diese Missachtung dafür verantwortlich, dass Torrix verschwunden war.
Ilna V. gab wenig auf solche Spitzfindigkeiten. Torrix war bereits der Hofmagier ihrer Mutter und ihrer Großmutter gewesen, und sein Rat hatte sie all die Jahre als Königin geleitet. Nun fühlte sie sich wie ein kleines Kind, das die führende Hand verloren hatte. Yanga war ihre letzte Hoffnung, aber die Hexe schien der Situation nicht gewachsen zu sein.
Der für die Verwaltung der Hauptstadt und damit auch die Sicherheit der Königin verantwortliche Staatsrat Hemor brachte seinem Gesichtsausdruck nach ebenfalls schlechte Nachrichten. Er verbeugte sich dreimal tief vor Ilna V. und wagte nicht, sie anzublicken.
»Meine Männer haben nicht die geringste Spur des Hofmagiers und der Wetterhexe aus der Fischervorstadt entdecken können. Es ist, als habe der Hexenwald sie verschluckt.«
»Wären sie dort, würde ich sie spüren«, warf Yanga mit einer wegwerfenden Geste ein. »Deine Leute sind unfähig! Es ist ihnen nicht einmal gelungen, alle Gurrlandblütigen in Ilynrah zu finden und einzufangen.«
»Es fehlt uns nur noch dieser eine Junge. Den werden wir schnell haben.« Hemor ärgerte sich über den Tonfall der Hexe, wagte aber aus Angst vor ihren magischen Kräften nicht, ihr schärfer entgegenzutreten.
Der Königin klatschte mit der Hand auf die Lehne. »Ich will keine gegenseitigen Vorwürfe hören, sondern Vorschläge, wie wir die Situation meistern können.«
»Dafür hätten wir Torrix gebraucht«, murmelte Hemor ganz leise, da es nur die Königin, nicht
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