Der Feuerthron
giftiger Dunst wirkende schwarze Geist, der sich von Girdhan gelöst hatte, versuchte, in den Feuerthron zu flüchten, wurde aber von dem Funkenregen so heftig weggetrieben, dass sich auch seine Reste aus dem Kristall lösten. Das gespenstischeWesen ballte sich schließlich zusammen und entpuppte sich als Totengeist wie Reodhendhor. Er kreischte und tobte, strebte dabei aber immer wieder auf das Artefakt zu, das er so lange beherrscht hatte. Schließlich wich es vor Argos Flammen zurück, die bereits die Oberfläche des Throns verlaufen ließen.
Zuletzt wirbelte der schwarze Geist herum und wollte aus der Halle fliehen. Doch die überlebenden Runi hatten inzwischen begriffen, was sich vor ihnen abspielte, und ein Geflecht aus weißer Magie gebildet, vor dem der schwarze Geist schaudernd zurückwich.
Nun wurde auch Meravane sichtbar, und neben ihr nahm noch ein weiterer Totengeist eine durchscheinende Gestalt an. Es war eine Frau, die Girdhala so ähnlich sah wie eine Schwester – oder Mutter.
Girdhan erkannte das Gesicht und spürte, dass sie das Wesen war, welches ihm gegen den Schwarzen geholfen hatte. Doch ehe er seine Überraschung ausdrücken konnte, ging Mera auf sie zu. »Du bist Dhana, nicht wahr?«
Die Geisterfrau nickte und schenkte ihrem Sohn, der sie all die Jahre, ohne es zu ahnen, in seinem Körper getragen hatte, ein aufmunterndes Lächeln. Dann schwebte sie zu dem Schattengeist hinüber, aus dem Argos Feuer fast alle Magie herausgelöst hatte.
Auch die anderen kamen näher und starrten das Zerrbild eines Wesens an, das einst ein mächtiger Magier der Schwärze gewesen war. Obwohl der Tote keinen Körper mehr besaß, wirkte er verbrannt und so verschrumpelt wie eine getrocknete Pflaume. Seine Kraft war erloschen, doch seine Augen glühten vor Hass.
Meravane flammte blau auf und stemmte die Arme in die Hüften. »Wassuram! Ich hatte schon lange das Gefühl, er sei nicht zu Giringars Seelendom gegangen! Stattdessen hat er sich an die Bruchstücke des Feuerthrons geklammert und deren Kräfte gelenkt, um einen magisch begabten Narren anzulocken, dessen Körper er sich aneignen konnte. Es war wohl sein ganz spezielles Pech, dass er dabei an einen weißen Runi geraten ist.«
Meras Ahnfrau hörte sich sehr zufrieden an. Sie blieb neben Wassuram stehen, streckte ihre Arme aus und packte ihn. So ungreifbar er für die Lebenden sein mochte – den Toten konnte er nicht entkommen. Auch Reodhendhor und Dhana griffen nach ihm. Gemeinsam zerrten sie ihn hoch und nahmen ihn in ihre Mitte.
»Es gäbe noch so viel zu sagen, doch wir wagen es nicht, Wassuram länger hierzulassen. Sollte es ihm gelingen, noch einmal in den Feuerthron zu schlüpfen, würden wir ihn wohl nicht mehr herausholen können, es sei denn mit dem Feuer eines Arghan, der dann um einiges größer sein müsste als unser Freund Argo.« Reodhendhor hob die Hand zum Abschied, dann krallte er seine Hände in den Geist des Schwarzlandmagiers und schwebte mit ihm und den beiden Frauen nach oben.
Zunächst sah es aus, als würde Wassuram alles widerstandslos mit sich geschehen lassen, doch als sie die Decke erreichten und die anderen Geister schon darin eintauchten, riss er sich plötzlich los und schoss auf den Feuerthron zu. Ein Funkenregen aus Argos Maul hinderte ihn jedoch daran, in den Kristall zu flüchten, und bevor er in eine andere Richtung entkommen konnte, waren Reodhendhor, Meravane und Dhana über ihm. Nun erhielten sie auch Hilfe von anderen Totengeistern. Meravanes Nachfahrinnen tauchten auf, und selbst die Runi, die an diesem Tag getötet worden waren, lösten sich von ihren Körpern. Sie waren noch nicht zu Meandirs Seelendom aufgebrochen, weil sie als Tote den wahren Feind erkannt hatten und ihn besiegt sehen wollten.
»Wir bringen ihn zu Meandir und sperren ihn in einen weißmagischen Käfig, aus dem er nicht mehr entkommen kann«, sendeten die Runi Reodhilan zu, die sich trotz ihrer schweren Verletzungen wieder auf die Beine gekämpft hatte.
Die magisch Begabten vernahmen noch Wassurams Entsetzensschrei. Danach herrschte Schweigen. Die Überlebenden mussten erst mal verarbeiten, was geschehen war. Doch plötzlich wurde die Stille vom Marschtritt gurrländischer Soldaten durchbrochen.
»Was soll ich tun?«, rief Girdhan erschrocken aus.
Mera starrte ihn an, als sei sie aus einem tiefen Schlaf erwacht. Mit einem Mal kam er ihr so klein und der Thron so groß vor, und ihr wurde klar, dass er allein niemals in der Lage sein
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