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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Sie sah, wie die Hofmagier der anderen Reiche ihre Häupter vor ihr neigten, und fühlte sich jedem von ihnen so weit überlegen wie die Sonne am Himmel einem lumpigen Kerzenlicht. Sie allein war mächtig und würde es auf ewig bleiben. Ilyndhir und die Nördlichen Inseln erschienen ihr auf einmal viel zu klein und zu unbedeutend für ihre Kräfte. Daher richtete sie ihr magisches Auge gen Südosten, auf die großeInsel Gurrland, die Heimat des Feuerthrons. Diesen zu besteigen und über seine Kräfte zu verfügen erschien ihr als ihre wahre Bestimmung.
    Ein Rausch erfasste sie, und sie sehnte sich mit allen Fasern ihres Seins nach jenem Ort. Sie sah die Berge im Zentrum der großen Insel und den gewaltigen, aus Kristall und erstarrter Lava geschaffenen Höhlendom. Dann glitt ihr Geist tiefer hinein, und sie stand vor einem Gebilde aus tiefschwarzem Kristall, das von ebenso schwarzen Flammen umspielt wurde. Doch als sie darauf zugehen und den Thron besteigen wollte, stellte sich ihr eine Gestalt entgegen, die so verzerrt und undeutlich wirkte, als würde sie das Wesen durch einen halb blinden Spiegel erblicken.
    »Du hast hier nichts verloren!« Kaum hatte sie die verächtlich klingenden Worte vernommen, wurde sie von einer Riesenhand gepackt und wie ein Ball durch die Luft geschleudert. Sie sah noch den Boden auf sich zukommen, dann verlor sie das Bewusstsein.
    Als Yanga erwachte, schmeckte sie Blut auf ihren Lippen. Das überraschte sie ebenso wie die Ohnmacht, in die sie gefallen sein musste. Daran war sicher die Anwesenheit des grünen Dämonenhexers schuld, fuhr es ihr durch den Kopf. König Tendel von Malvone hätte klüger sein und Ethrul zu Hause lassen sollen. Ihn hierher mitzubringen, stellte eine unverzeihliche Beleidigung der Königin von Ilyndhir und ihrer eigenen Person dar.
    Yanga legte ihren Talisman wieder in das Silberkästchen zurück und verschloss es sorgfältig. Niemand durfte davon erfahren. Der schwarze Kristall war die Quelle ihrer Macht. Ohne ihn wäre sie nie so weit aufgestiegen. Jetzt hatte sie sogar Torrix übertroffen, denn der hatte vor Ilna V. noch den Rücken beugen müssen. Sie aber konnte der Königin auf gleicher Augenhöhe begegnen, und das hatte sie ihrem Talisman zu verdanken. Am liebsten hätte sie ihn noch einmal in die Hand genommen, vielleicht sogar geküsst. Doch die Zeit drängte. Die Schiffe der Feinde hatten bereits angelegt, und die Herrschaften befanden sich auf dem Weg zum Palast.
    Sie musste jetzt ebenfalls dorthin zurückkehren und ihren Platz an der Seite der Königin einnehmen.
    Während die Hexe durch die Korridore des Magierturmes eilte, erinnerte sie sich für ein, zwei Lidschläge an einen eigenartigen Traum, in dem sie danach gestrebt hatte, den Feuerthron zu besteigen, wischte diese Bilder aber mit einer verächtlichen Handbewegung beiseite. Es war allgemein bekannt, dass der Feuerthron vor tausend Jahren in ebenso viele Stücke zerschlagen worden war und man all diese Teile an geheimen Orten versenkt oder begraben hatte. Es lohnte sich nicht, sich Gedanken über ein Hirngespinst zu machen. Wichtiger war es, in den nächsten Minuten das Richtige zu denken und zu sagen. Mochte derzeit auch eine gewisse Gefahr von Gurrland ausgehen, so stellten die Malvoner und Gelondaner die wirklichen Feinde der Nördlichen Inseln dar.
8
    Königin Ilna war mit ihrer Zweiten Hexe mehr als unzufrieden, denn Yanga hatte sie während der Vorbereitungen auf die Audienz, die sie den Herrschern und Herrscherinnen der Mittleren und Südlichen Inseln gewähren musste, schmählich im Stich gelassen. Der Zeremonienmeister klopfte bereits mit seinem Stab auf den Boden aus blauem Marmor, um die Gäste anzukündigen, da erschien Yanga abgehetzt und stellte sich mit verbissen wirkender Miene neben sie. Das späte Erscheinen ihrer Hexe machte es Ilna V. unmöglich, ein paar klärende Worte mit ihr zu wechseln. Gleichzeitig ärgerte sie sich über Yanga, weil diese immer noch den Ornat eines Hofmagiers trug und damit so tat, als wäre Torrix bereits tot und sie seine erwählte Nachfolgerin.
    Mit dem festen Vorsatz, die Hexe nach der Audienz zurecht zuweisen,blickte Ilna V. nach vorne. Dort öffneten die Diener gerade das große Portal des Thronsaales und gaben den fremden Gästen den Weg frei. Zufrieden bemerkte die Königin, dass sowohl König Tendel von Malvone wie auch Talena, die Regentin von Gelonda, Gewänder aus schlichtem grauem Stoff trugen und auf alle Insignien ihrer Macht

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