Der Feuerthron
stellte sich vor, dort würde eine sprudelnde Süßwasserquelle entstehen.
Zunächst tat sich gar nichts. Mera weinte fast vor Enttäuschung und schimpfte mit sich selbst, weil sie aus gekränkter Eitelkeit wie eine große Zauberin hatte auftreten wollen. Dabei brauchten sie das Wasser wirklich dringend.
Plötzlich schrie Careela gellend auf. Girdhan japste vor Überraschung, und Kip verriss beinahe das Steuer. Sie alle beobachteten, wie Mera mit einem Mal von innen heraus in einem kalten, blauen Licht zu leuchten begann. Gleichzeitig wurde sie immer größer, bis sie weit über den Mast hinausragte, und ihre Stimme klang wie ein Donnergrollen über das Deck.
»Dort vorne gibt es Wasser!«, sagte sie und streckte den Arm aus. Einen Herzschlag später schrumpfte sie wieder und brach am Bug zusammen.
Girdhan eilte zu ihr und richtete ihren Oberkörper auf. Ihre Augen standen offen, und ihm schlug noch der Rest des magischenFeuers entgegen, das sie eben versprüht hatte. Es prickelte angenehm auf der Haut, und für ein paar Augenblicke gab er sich ganz diesem Erlebnis hin. Dann aber riss er sich zusammen, hob Mera hoch und trug sie in die Kajüte. Ohne sich von Careelas empörtem Schnauben abhalten zu lassen, legte er die Bewusstlose auf das bessere der Betten und band sie dort fest, damit sie bei den Bewegungen des Schiffes nicht herausfallen konnte. Dabei fragte er sich, wie es die Schiffer schafften, sich bei dem ständigen Seegang in den Betten zu halten. Anscheinend war dies eine Fähigkeit, die sie bereits mit in die Wiege gelegt bekamen.
Als Girdhan wieder ins Freie trat, sah er, dass Kip den Kurs in die Richtung geändert hatte, in die Mera zuletzt gezeigt hatte.
»Ich hoffe, das stimmt mit dem Wasser«, brummte Kip. »Wenn Mera aufwacht, wird sie so viel Durst haben, dass sie uns den Rest wegtrinkt.«
Careela warf den Kopf hoch, dass ihre violetten Locken aufstoben. »Das darf sie nicht! Wir werden es ihr verbieten.«
»Versuch du mal, einer Hexe etwas zu verbieten. Vielleicht verwandelt Mera dich in ihrer Wut in eine Maus. Die braucht nämlich nicht so viel Wasser.«
Obwohl Kip das eher scherzhaft gemeint hatte, zuckte die Prinzessin erschrocken zusammen. Auch wenn Mera keine ausgebildete Hexe war, hatte sie sich eben in eine leuchtende Riesin verwandelt.
10
Mera erwachte erst bei Einbruch der Nac ht und verging fast vor Durst. Girdhan musste ihr helfen, sonst hätte sie in ihrer Gier das kostbare Nass ebenso leichtfertig verschwendet wie die Prinzessin. Als sie schließlich den Wassersack absetzte, blieben für Girdhan, Kip und Careela je ein Becher Wasser übrig und Timpo und Fleckchen mussten sich einen halben Napf miteinander teilen. Das Fellknäuel fiepte enttäuscht und schlüpfte zu Mera ins Bett. Careela schubste Fleckchen, die von ihr gestreichelt werden wollte, beiseite und wandte sich mit anklagendem Blick an Kip. »Das Viehzeug hättet ihr längst über Bord werfen können. Dann wäre mehr Wasser für uns übrig geblieben!«
»Timpo ist ein magisches Tier und gehört Meras Großmutter. Wenn du ihm etwas tust, verwandelt Mera dich in einen glitschigen Frosch«, warnte Kip sie.
»Fleckchen gehört ebenfalls zu Mera«, setzte Girdhan grinsend hinzu. Dabei war ihm alles andere als zum Lachen zumute. Wegen des Windes, so hatte Kip ihm erklärt, brauchten sie mindestens drei Tage, bis sie die nächstgelegene Insel erreichten, und das war eine kleine, Wardania vorgelagerte Insel, auf der die Büttel sie sofort verhaften würden.
»Vielleicht können wir in der Nacht an Land gehen und uns Wasser besorgen«, sagte Kip, dessen Gedanken in dieselbe Richtung gingen.
»Dann müssten wir aber nach Süden fahren. Jetzt steuern wir fast in die Gegenrichtung«, gab Girdhan zu bedenken.
»Es ist die Richtung, die Mera uns genannt hat. Ich möchte wenigstens diese Nacht noch durchfahren. Vielleicht finden wir tatsächlich Wasser.« Kips ganze Haltung zeigte, dass er zwar nur schwerlich an diese Möglichkeit glaubte, sie aber auch nicht ausschließen mochte.
Careelas Blick wanderte nach Süden. Dort bekäme sie alles, was sie dringend brauchte, angefangen von so viel Wasser, dass sie jeden Tag ein Bad nehmen konnte, bis hin zu ausgezeichneten Mahlzeiten und schönen Kleidern. Hier an Bord gab es nur noch hartes Dauerbrot und Dosenwurst. Das mochte für Fischer gut genug sein, sie aber war anderes gewöhnt.
»In meinen Augen ist es sinnlos, auf die Hirngespinste dieser eingebildeten Hexe hin ins
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