Der Feuerthron
Augenblick ihrer Geburt, den sie gedanklichmit ihrer Mutter und deren Freundinnen geteilt hatte. Sie war von allen liebevoll empfangen und rasch mit all dem Wissen versorgt worden, das eine junge Runi benötigte. Das Menschenmädchen aber wusste nichts mit seinen Fähigkeiten anzufangen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Hekendialondilan sich einem anderen Wesen überlegen, quittierte den Gedanken aber mit einem Lächeln und schob ihn von sich weg. Diese Haltung war einer Runi nicht würdig. Das galt aber auch für Sianderilnehs Treiben. Aus diesem Grund fühlte sie sich verpflichtet, ihrem Volk zu zeigen, dass die Cousine der Königin gegen die elementarsten Regeln der Gemeinschaft verstoßen hatte, indem sie im Geheimen Dinge tat, die alle betrafen.
Ruhig und konzentriert wies sie die junge Hexe, die sich Mera nannte, an, wie sie sich mit ihrem schwarzen Freund in Verbindung setzen konnte. Dann wartete sie ab, ob der Junge sich beruhigen würde. Obwohl er ihre Gegenfarbe besaß, empfand sie keinen Hass auf ihn. Er konnte nichts für den magischen Hauch, der ihn erfüllte. Die Götter hatten es so bestimmt, dass er mit seiner Ausstrahlung ihre eigene Magie störte. Im Gegensatz zu Sianderilneh wäre sie deshalb nicht in der Lage gewesen, ihn an Körper und Geist zu lähmen, um dann ihre Zauber ungestört sprechen zu können, und sie hätte es auch nicht gerne getan.
Mera hatte der Fremden aufmerksam zugehört und richtete ihre Gedanken nun auf ihren Freund, dessen Bewusstsein sich noch immer in den magischen Fesseln wand. »Girdi, hörst du mich?« Sie verwendete den Kosenamen ihrer Kinderzeit und spürte, wie er darauf ansprach.
»Meri, bist du es?« Er wirkte verwirrt und schien zu glauben, einen Albtraum zu durchleben.
»Girdi, du musst dich konzentrieren. Wir erhalten Hilfe, aber das Mädchen, das uns hier herausholen kann, ist von weißmagischer Farbe, und da stört dein unkontrolliertes geistiges Herumschlagen.«
Mera bekam mit, wie Girdhan im Geiste den Kopf schüttelte. »Ich hab doch gar nichts Magisches!«
»Doch, das hast du – wenigstens in einem gewissen Maß. Wahrscheinlich hätte Torrix deine Fähigkeiten ebenfalls erkannt, wenn er dich genauer angesehen hätte. Auf jeden Fall hast du welche, und die musst du jetzt unter Kontrolle bringen. Ich sage dir, wie es geht.«
Das klang ein wenig überheblich, denn Mera musste sich erst jeden einzelnen Schritt von ihrer unbekannten Helferin erklären lassen, bevor sie die Anweisungen an Girdhan weitergeben konnte. Es gelang ihr jedoch besser, als sie erwartet hatte, und schon nach kurzer Zeit war der Junge in der Lage, seinen Geist so zu beherrschen, dass keine störenden Schwingungen mehr nach außen drangen.
Hekendialondilan nahm es lächelnd zur Kenntnis. Eine gewisse Lernfähigkeit konnte man diesen Menschen nicht absprechen. Nun fiel es ihr leichter, den Kontakt mit Mera zu halten und ihre Kräfte über das Mädchen wirken zu lassen. Auf diese Weise vermochte sie Sianderilnehs Zauber mit viel weniger Anstrengung aufzulösen, als wenn sie es allein versucht hätte. Sie fühlte, wie der Fels seine Gefangenen unter protestierendem Ächzen freigab, so als passte es ihm nicht, dass ein junges Mädchen ohne jeden Rang das Werk einer Höheren zunichtemachte. Doch er vermochte sich dem Willen dieser Runi nicht lange zu widersetzen und gab die Gefangenen frei. Auch der Hügel öffnete sich und bildete einen Stollen, der in die Höhle führte. Hekendialondilan schritt vorsichtig hinein, denn sie wusste nicht, ob die Cousine der Königin Überraschungen für ungebetene Neugiersnasen hineingepflanzt hatte. Ihre scharfen Augen benötigten keine Fackel oder Laterne, und so erreichte sie mühelos die Stelle, an der die vier jungen Menschen lagen. Die, die Mera genannt wurde, hatte ein Salasa bei sich. Das war ein weiteres Zeichen dafür, dass sie über große Kräfte verfügte, denn diese Tiere schlossen sich nur stark magisch Begabten an. DasSalasa war noch bewusstlos, begann sich aber zu entsteinern, und Hekendialondilan, die sich schon lange ein eigenes Tier gewünscht hatte, nutzte die Gelegenheit, um über sein seidenweiches Fell zu streicheln.
Dann aber richtete sie ihre Gedanken auf ihre Aufgabe. Sie musterte die vier starren Gestalten, die mehr Statuen glichen als lebenden Wesen, und überlegte, wen sie als Erstes hinaustragen sollte. Die Mera-Hexe musste bis zuletzt bleiben, denn sie brauchte deren Kraft, damit der Hügel sich nicht vorzeitig
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