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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Heimatreiches. Ihre Kräfte stammten von Ilyna, aber auch noch aus einer anderen Quelle. Von einer Neugier getrieben, die sie ebenso überraschte wie erschreckte, legte sie vorsichtig ihre Hände um Meras Kopf und drang tief in ihr Innerstes ein.
    Es wunderte sie nicht mehr, als sie unter Meras Blau auch eine winzige Spur Weiß entdeckte. Es war zwar seit Jahrhunderten nicht mehr vorgekommen, dass Runier sich mit Menschen gepaart und Nachkommen gezeugt hatten, doch in der Zeit des großen Krieges war dies ein- oder zweimal geschehen. Diese Mera war die Nachfahrin einer solchen Verbindung, und das würde es Hekerenandil noch schwerer machen, sich für die Menschenkinder einzusetzen. Ganz sicher würde Sianderilneh diese Abstammung zum Vorwand nehmen, sich des Mädchens zu bemächtigen, um auch diese Schande vor der Welt zu verbergen.
    »Meine jungen Gäste, ihr bereitet mir einige Probleme. Doch lasst euch den Aufenthalt im Schatten meines Baums nicht verdrießen. Kommt mit mir. In meinem Heim seid ihr in Sicherheit.«
    Hekerenandil ging mit müden Schritten voraus. Dennoch musste Kip, der die kürzesten Beine von allen besaß, immer wieder laufen, um Schritt zu halten. Careela schlenderte schmollend hinterher, während Fleckchen spielerisch nach einem Falter schnappte und dann aufjaulte, weil ein kleiner weißer Blitz ihre Schnauze getroffen hatte. Hekerenandil drehte sich zu ihr um und sprach einen leichten Zauber, der die Hündin dazu brachte, den Frieden ihres Waldes zu respektieren.
    »Pflückt keine Blumen gegen ihren Willen«, warnte sie dann Mera, die diese Anweisung sofort an ihre Freunde weitergab.
    »Ich rühre hier gewiss nichts an«, rief Girdhan, während Kip den mit Früchten beladenen Zweig, nach dem er gegriffen hatte, sofort wieder losließ.
    Hekerenandil bekam es mit und wies Mera an: »Sag deinen Freunden, dass sie die Früchte und Beeren hier aber unbesorgt pflücken und essen dürfen.«
    Als Mera Kip diese Erlaubnis weitergab, atmete der Junge auf. »Ilyna sei Dank! Ich habe so einen fürchterlichen Hunger, dass ich einen ganzen Schwarm Goldgarnelen essen könnte, und zwar roh und ungeputzt!«
    »Goldgarnelen gibt es hier nicht, aber diese Früchte schmecken auch hervorragend«, sagte Hekendialondilan laut, pflückte lachend eine Beere und steckte sie Kip in den Mund.
    Der kaute vorsichtig darauf herum, riss dann die Augen auf und schüttelte verwirrt den Kopf. »Aber die schmecken wie die Goldgarnelen bei Meras Mutter!«
    »Es sind Wunschbeeren! Sie schmecken immer so, wie man es gerne möchte.« Hekendialondilan aß nun ebenfalls eine dieser Beeren und schmatzte dabei, wie sie es bei Kip vernommen hatte.
    Ihre Mutter schüttelte tadelnd den Kopf. Wie es aussah, übte die Gesellschaft der Menschen bereits nach kurzer Zeit einen schlechten Einfluss auf ihre Tochter aus. »Solche Sitten sollte eine Runi sich nicht angewöhnen«, tadelte sie das Mädchen und umrahmte den Gedanken mit Symbolen, die Mera nicht verstand. Dann wies sie auf ihren Hausbaum. »Hier könnt ihr euch ausruhen, während Hekendialondilan und ich zum Großen Rat gehen.«
    Mera gab die Worte weiter, und ihre Freunde starrten bestürzt zu dem großen Baum hoch, der mehr als sechzig Körperlängen in den Himmel wuchs. Auf halber Höhe bildeten die Zweige eine große Kugel, die mindestens zehnmal so breit war wie Girdhan hoch. Ein schmaler Steg führte hinauf und wand sich dabei mehrmals um den mächtigen Stamm. Ein Geländer oder etwas anderes zum Festhalten gab es jedoch nicht. Selbst Kip, der es gewohnt war, auf einen schwankenden Mast zu klettern, schüttelte es bei dem Gedanken, diesen Aufgang benutzen zu müssen.
    Auch Mera zog eine zweifelnde Miene. »Besten Dank, aber ich glaube, wir bleiben lieber auf dem festen Boden.«
    »Wie ihr wollt.« Hekerenandil machte eine Handbewegung, und sofort formten einige Büsche mit ihren Zweigen eine Art Zelt, das groß genug war, Mera mit ihren Freunden aufzunehmen.
    »Esst von den Beeren und ruht euch aus. Frisches Wasser findet ihr dort drüben.« Die Runierin wies mit der Hand auf eine Quelle, die dort eben noch nicht gewesen war, und winkte dann ihrerTochter, mit ihr zu kommen. Für die Menschen war es, als lösten sich die beiden von einem Augenblick auf den anderen im Weiß und Silber des Waldes auf.
    Während die anderen noch verblüfft auf die Stelle starrten, auf denen die beiden Runierinnen eben noch gestanden hatten, stopfte Kip Beeren in sich hinein. »Man merkt schon, dass

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