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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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die er sich verlassen konnte.
    Der Ventilator drehte sich, verteilte die warme Luft in gleichmäßigen, monotonen Drehungen im Raum. Mücken tanzten um die Lampe. Er würde, sobald Schmidt zurückkehrte, zu Angela gehen und im Schutz der Dunkelheit die Frauen nach Hof bringen. Das war das mindeste, was er tun konnte. Er hoffte nur, daß sie ihn nicht bereits im Visier hatten; damit wäre sein Plan zum Scheitern verurteilt, bevor die ersten Schritte getan waren.

Kapitel 35
    Brackmann achtete sorgfältig darauf, daß ihm vom Büro aus niemand folgte. Er ging zuerst zu seiner Wohnung, wo er sich etwa eine halbe Stunde lang aufhielt, zwei belegte Brote aß und eine Tablette nahm und diese mit einer Dose Bier runterspülte. Ein paarmal warf er einen Blick aus dem Fenster, doch er sah weder ein verdächtiges Fahrzeug noch auffällige Personen. Mit der gleichen Vorsicht machte er sich dann auf den Weg zu Angela, holte die Frauen und ging mit ihnen in die Tiefgarage. Er bat sie, solange sie Waldstein nicht verlassen hatten, sich in den Kofferraum zu legen, erst auf freier Strecke sollten sie zu ihm nach vorne kommen.
    Die Fahrt nach Hof dauerte genau fünfundzwanzig Minuten. Als die Frauen ausgestiegen waren und gerade ins Haus gehen wollten, drehte Sarah sich noch einmal um und kam auf Brackmann zu. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf die Wange. »Danke, vielen, vielen Dank für alles. Ich werde Ihnen das niemals vergessen. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.«
    Gegen dreiundzwanzig Uhr kehrte Brackmann so unbemerkt, wie er gegangen war, zurück. Die Frauen befanden sich in Sicherheit. Er händigte Angela den Schlüssel wieder aus, verabschiedete sich von ihr.
    Er atmete die frische Nachtluft tief ein. Ein erster kleiner Sieg war errungen. Auf dem Nachhauseweg kam er an Reuters Praxis vorbei, wo noch Licht brannte. Die Tür war unverschlossen. Eine alte Frau, deren Gesicht ihm bekannt vorkam, saß auf einem der acht Stühle im Wartezimmer, das graue fettschimmernde Haar fiel ungekämmt über ihre Ohren, über dem schmutzigen Kleid trug sie eine noch schmutzigere Schürze. Ihr Blick glitt ins Leere, auf Brackmanns Eintreten reagierte sie lediglich mit einem kurzen Wenden ihres Kopfes in seine Richtung, völlig geistesabwesend, eine alte Frau durch deren Adern noch Blut floß,deren Herz noch schlug und die sich doch innerlich vom Leben verabschiedet zu haben schien.
    Reuter, bleich und übernächtigt, kam aus seinem Sprechzimmer, gefolgt von einer mit Jeans und einem weißen T-Shirt bekleideten jungen Frau von vielleicht dreißig, klein, zierlich, das ovale Gesicht von dichtem, wie Ebenholz schimmerndem Haar umrahmt; ihre Augen glänzten dunkel, ihre Haut hatte einen seidigen, bronzenen Ton. Eine aparte, anziehende Erscheinung. Sie lächelte Brackmann kurz, doch verhalten zu. Brackmann hatte sie im Gegensatz zu der Alten noch nie in Waldstein gesehen.
    Reuter ging auf die alte Frau zu und reichte ihr die Hand, doch die Frau zeigte keine Reaktion. »Würden Sie bitte mit ins Sprechzimmer kommen, Frau Spittler, ich möchte Ihnen gerne helfen.« Er sprach leise, beugte sich zu ihr nach unten, legte behutsam den linken Arm um ihre Schulter. Mühsam, das Gesicht schmerzhaft verzogen, erhob sie sich und folgte dem Doktor mit schweren, schlurfenden Schritten, es schien, als wären ihre dicken, von Wasser aufgeschwemmten Beine kaum in der Lage, sie zu tragen.
    Reuter drehte sich kurz zu Brackmann um und sagte: »Es wird noch eine Weile dauern.«
    »Ich habe Zeit«, erwiderte Brackmann und setzte sich, nahm eine der Illustrierten und blätterte darin, ohne auch nur eine einzige Zeile zu lesen; seine Gedanken waren woanders, bei Engler, Reuter, Pickard, Obert – und was um alles in der Welt hatte sein Vorgänger mit den Vandenbergs zu schaffen gehabt? Er würde ihn nicht mehr fragen können, der Mann lag seit sechs Jahren auf dem Friedhof neben der Kirche.
    Die Tür zu Reuters Praxis ging nach einer Viertelstunde wieder auf. Die alte Frau wurde von der jüngeren geführt.
    Reuter schaute zur Uhr, dann zu Brackmann. »Kommen Sie«, sagte er und deutete auf sein Behandlungszimmer.
    »Ich weiß, es ist spät«, sagte Brackmann und legte die Illustrierte auf den Tisch, »aber ich habe nur ein paar Fragen. Übrigens, wer war das eben?«
    »Das waren Frau Spittler und ihre Tochter. Ihre Tochter ist extra in aller Herrgottsfrühe aus Nürnberg gekommen, als sie von dem Unglück hörte. Ich sehe allerdings

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