Der Finger Gottes
Victor, Csillas Vater. Er ist eigentlich harmlos. Er hat es nicht geschafft, etwas aus seinem Leben zu machen, und die anderen zeigen ihm, wann immer sie eine Gelegenheit dazu finden, was für ein Versager er ist. Er ist Trinker, genau wie seine Frau Margrit. Von den beiden haben Sie am wenigsten zu befürchten.«
»Was, wenn man Sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen finden würde?«
»Ich weiß es nicht. Ich vermute, daß sie Josephine als Druckmittel gegen mich einsetzen würden. Wobei in dem Fall Jonas die Triebfeder wäre, denn er kann sich im Moment am allerwenigsten einen Skandal leisten, nicht jetzt, so kurz vor den Wahlen. Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, Bayern wird von Jonas Vandenberg regiert – mir wird speiübel! Dieses verdammte Schwein soll über das Wohl und Wehe der Leute hier bestimmen?! Ich bete inständig, daß er es nicht schafft, aber ich fürchte, meine Gebete werden nicht erhört.«
»Werden sie Privatdetektive auf Ihre Spur hetzen?«
»Martin wäre nicht Martin und Jonas nicht Jonas, wennsie’s nicht täten! Jonas hat sogar schon mal einen hinter seinen eigenen Brüdern hergejagt. Jonas ist für mich das klassische Abbild eines Psychopathen. Wenn Sie an etwas Mieses denken, dann können Sie davon ausgehen, daß er’s bereits gemacht hat. In dieser Familie ist nichts unmöglich.«
Brackmann stand auf, lehnte sich auf die Balkonbrüstung und sah hinunter auf den Weg, der am Haus entlangführte. Er zündete sich die letzte Zigarette aus der Packung an. Nach sekundenlangem Schweigen drehte er sich zu Sarah und Csilla um.
»Ich habe es mir überlegt, Frau Vandenberg. Ich habe ein paar Informationen, die ich Ihnen nicht länger vorenthalten möchte. Nicht sehr angenehme Informationen, zugegeben, vor allem für Csilla . . .«
Csilla erwachte aus ihrer Lethargie und hob den Kopf. »Es geht um Alexander, nicht? Sie werden mir jetzt sicher sagen, daß er tot ist? Machen Sie sich keine Mühe, ich weiß es schon lange, auch wenn es mir keiner gesagt hat. Ich habe es nur gefühlt. Es wäre auch überhaupt nicht seine Art gewesen, einfach alles stehen- und liegenzulassen und abzuhauen. Ich habe es nur nicht wahrhaben wollen und mir immer wieder gesagt, er ist nur abgehauen.« Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und fragte: »Habe ich recht?«
»Ja, wie es aussieht, ist Alexander tot. Bis gestern kannte ich nicht einmal seinen Namen. Ich habe ihn mehr zufällig erfahren . . .«
»Von wem?«
»Das tut nichts zur Sache. Eine eher unbeteiligte Person.«
»Und meine Familie hat etwas mit seinem Tod zu tun?«
»Wie es aussieht . . .«
»Jonas oder Martin?«
»Das kann ich noch nicht sagen. Dazu sind aufwendigeRecherchen notwendig. Es wird nicht einfach sein, irgend jemandem nach dieser langen Zeit ein Kapitalverbrechen nachzuweisen.«
»Wahrscheinlich waren es beide!« Csilla lachte bitter auf. »Seit wann ist er tot?«
Brackmann legte einen Zeigefinger auf die Lippen, beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte: »Psst, Frau Csilla, nicht so laut! Es wäre nicht gut, wenn jemand herausfinden würde, daß Sie hier sind. Das wollen Sie doch nicht, oder?«
»Mir ist das alles scheißegal!«
»Csilla!!« herrschte Sarah sie an und faßte sie grob an beiden Armen und schüttelte sie. »Es geht nicht nur um dich, denk dran!« zischte sie.
»Okay, okay, beruhig dich wieder! Seit wann also ist Alex tot?«
»Es muß wohl kurz nach Ihrem gemeinsamen Antrittsbesuch hier gewesen sein.«
»Und seine Leiche, wo ist die?«
»Keine Ahnung. Wirklich. Es könnte sein, aber es ist nur eine Annahme, daß er in den Steinbruch geschafft wurde. Doch wie gesagt, es ist nicht sicher. Ich werde jedoch mein Bestes tun, auch das herauszubekommen. Und sollte Jonas tatsächlich die Verantwortung tragen oder zumindest in die Sache verwickelt sein, wird er nicht Ministerpräsident werden, das verspreche ich Ihnen. Niemals!«
Sarah war kurz im Wohnzimmer verschwunden; sie hatte sich ein Glas Cognac eingeschenkt, kam zurück und setzte sich wieder, das Glas hielt sie in der Hand und betrachtete es. »Jonas ist verrückt. Ich meine damit verrückt im wahrsten Sinne des Wortes. Geisteskrank. Er hat so viele seltsame Dinge getan . . . nein, Jonas dürfte der Menschheit eigentlich nicht länger zugemutet werden. Sie kennen ihn nicht, aber ich hatte schon viel zu oft das
Vergnügen
mit ihm. Manchmal war es, als hätte ein Dämon von ihm Besitzergriffen. Ich traue ihm alles zu. Sogar einen Mord. Aber wenn man in der
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