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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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wurde. Es war die Nacht vom elften auf den zwölften April. Ich weiß nicht, und das müssen Sie mir glauben, wer Höllerich tötete; ich erinnere mich nur mit Schrecken daran, daß in jener Nacht drei Männer, darunter Jonas Vandenberg höchstpersönlich, gegen Mitternacht vor meiner Tür standen und mich zu sprechen verlangten. Sie sprachen von einem Unglücksfall, der unter gar keinen Umständen publik werden durfte. Ich stellte klare Fragen, aber sie gaben mir keinerlei Erklärung über das Geschehene, sie forderten nur, Höllerich solle . . . sie wollten, daß Höllerich . . .« Engler inhalierte, blies den Rauch zur Seite, drückte die Zigarette im Becher aus, holte ein Taschentuch aus der Hosentasche, schneuzte sich geräuschvoll die Nase. Brackmann schwieg; er wartete äußerlich gelassen und innerlich zum Zerreißen gespannt, bis Engler sich so weit beruhigt hatte, daß er fortfahren konnte.
    »Sie verlangten, daß Höllerich . . ..« Er sah zur Decke mit den »paradiesischen« Motiven, zu dem Fenster, das beim Sturm zersplittert war, Schweiß auf seiner Stirn, in den Handflächen. »Sie verlangten tatsächlich, daß der Junge . . . er war da ja schon tot . . . daß er . . . auf unserem Friedhofbeigesetzt wird. In aller Stille versteht sich. Bei Nacht. Ich bin auf ihre Forderung eingegangen und habe ihn hier beisetzen lassen«, fügte er sehr leise hinzu und schneuzte sich erneut.
    »Höllerich, hier, auf dem Friedhof?!« fragte Brackmann wie vom Schlag gerührt. »Du meine Güte, warum haben Sie das zugelassen? Warum haben Sie der Forderung nachgegeben?«
    »Es gibt Gründe, die sehr persönlich sind. Ich werde nicht auch noch
mein
Leben vor Ihnen ausbreiten.«
    »Bitte, dann lasse ich das Grab öffnen und die Leiche exhumieren, und dann sieht es schlecht für Sie aus.«
    Engler winkte unwirsch ab und sagte ärgerlich: »Ach kommen Sie, Brackmann, Sie wissen doch gar nicht, wo er begraben liegt! Wir haben an die tausend Gräber auf dem Friedhof, von denen das älteste dreihundertfünfzig Jahre alt ist! Wollen Sie die vielleicht alle öffnen lassen? Vergessen Sie’s!«
    »Soll das etwa heißen, daß Höllerich in ein – belegtes – Grab gelegt wurde?«, fragte Brackmann fassungslos und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Natürlich, was denken Sie denn! Es mußte unauffällig geschehen, wie ich schon sagte. Es war eine sogenannte Nacht-und-Nebel-Aktion.«
    »Engler, womit haben die Vandenbergs Sie in der Hand?«
    »Verdammt noch mal, reicht Ihnen nicht, was ich gesagt habe?! Muß ich auch noch für meine Fehler Rechenschaft vor Ihnen ablegen?!!«
    »Ich möchte in einer anständigen Stadt leben, und ich glaube, Sie möchten das auch. Warum sagen Sie’s mir nicht? Haben Sie Angst vor mir oder den Vandenbergs oder schämen Sie sich?«
    »Vielleicht von allem etwas«, erwiderte Engler schulterzuckend. »Ich weiß, es sieht schlecht für mich aus, ichbrauche Ihre Vorwürfe nicht! Sie haben gehört, was ich gesagt habe, es muß Ihnen reichen.
Ich
habe einen Fehler gemacht, nicht Sie! Und ich bereue diesen Fehler zutiefst, wenn Ihnen das genügt! Verdammt, Brackmann, es tut mir leid, leid, leid! Zufrieden?«
    »Zufrieden? Womit? Daß ich weiß, daß Höllerich hier auf dem Friedhof liegt? Daß Sie von Schuld zerfressen werden? Daß es Ihnen leid tut? Alles das beantwortet mir nicht die Frage, warum der Junge getötet wurde und vor allem, von wem! Darauf brauche ich Antworten! Wie Sie mit Ihrem Gewissen zurechtkommen, ist Ihre Angelegenheit. Vielleicht versuchen Sie’s mal mit dem da oben, zu dem Sie doch eigentlich einen guten Draht haben oder zumindest haben sollten, oder?!« bemerkte Brackmann sarkastisch. Eine kurze Pause entstand; Brackmann zündete sich eine weitere Zigarette an, hielt Engler die Schachtel hin, der winkte ab. »Warum haben Sie es zugelassen? Warum um alles in der Welt haben Sie zugelassen, daß Ihr
heiliger
Grund und Boden dazu mißbraucht wurde, ein Verbrechen zu vertuschen?«
    Schweigen.
    »Warum? Nennen Sie mir einen Grund, bitte!«
    »Die Vandenbergs haben mich in der Hand«, quetschte Engler mühsam durch die Zähne.
    »Sie? Die Vandenbergs haben
Sie
in der Hand? Das heißt ja wohl nichts anderes, als daß Sie erpreßbar sind. Seltsam, ein erpreßbarer Priester!« Brackmann hielt inne, schüttelte ungläubig den Kopf. »Ist schon komisch, was hier seit gestern alles so ans Tageslicht kommt. Maria Olsen war erpreßbar, Sie sind es, ich wette, es gibt noch einige mehr, die von den

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