Der Finger Gottes
Vandenbergs etwas zu befürchten haben. Aber Sie …«
»Ja, ich!! Glauben Sie etwa, ein Priester hätte nicht auch irgendwo einen wunden Punkt?! Ich bin nicht Gott, ich binnur ein Mensch, ein lausiger Mensch, vergessen Sie das nicht!«
»Und womit hat man Sie erpreßt?«
»Das kann und will ich nicht sagen.«
»Wenn es etwas Ungesetzliches ist . . .«
»Brackmann, warum denken Sie immer nur in die eine Richtung? Ungesetzlich war höchstens das mit Höllerich. Mein Problem hat lediglich etwas mit mir ganz persönlich und mit meiner Reputation zu tun. Und die ist das Wichtigste für einen Priester. Ein Priester ohne Reputation ist das gleiche, wie ein Polizist ohne Dienstausweis oder Waffe. Er ist ein Nichts, ein Niemand. Und die Vandenbergs wissen das. Und ich bin außerdem zu alt, um öffentliche Anfeindungen zu ertragen. Ich war auch schon vor sechs Jahren zu alt dafür, mich öffentlichem Spott oder Häme oder was immer auszusetzen.«
»Das ist für mich kein Grund! Das rechtfertigt nicht das Decken oder Vertuschen einer Straftat! Was ist wichtiger, Ihre Reputation oder das Sühnen eines Verbrechens?«
»Schauen Sie, Brackmann«, sagte Engler schwitzend. »Die Vandenbergs haben in den letzten hundert oder hundertfünfzig oder mehr Jahren unendlich viel für Waldstein getan, mehr als Ihr kleiner Verstand sich vorstellen kann. Ohne die Vandenbergs gäbe es kein Waldstein. Sobald sie keine Unterstützung mehr leisten, stirbt der Ort. Wenn Obert nicht mehr ihr Anwalt ist, muß er wegziehen und sich woanders ein Auskommen suchen. Das gleiche gilt für Pickard, der bei ihnen mit einer sechsstelligen Summe in der Kreide steht. Und ich könnte Ihnen mindestens zwei oder drei Dutzend Personen und Familien nennen, die mindestens ebenso abhängig von den Vandenbergs sind – wie ich zum Beispiel. Sie haben großzügige Spenden für die Kirche gegeben . . .«
»Absolutionsspenden?« fragte Brackmann mit beißendem Spott.
»Werden Sie nicht zynisch, Brackmann! Sie sind kein Waldsteiner. Dies hier ist eine eigene kleine Welt, mit eigenen ungeschriebenen Gesetzen. Sie werden nie wirklich hierhergehören. Sie hätten gar nicht erst herkommen dürfen. Hier hat sich nicht viel verändert während der letzten hundert oder zweihundert Jahre. Sicher, es gibt Autos und modernen technischen Schnickschnack, aber die Menschen, sie sind freundlich, wenn auch auf eine besondere Weise immer noch verschlossen und eigenbrötlerisch. Sie sind eben anders. Aber ich kenne sie, ich kenne fast alle. Fragen Sie die Älteren, ob sie jemals wegziehen würden, und Sie werden ein klares Nein als Antwort bekommen! Die Jungen vielleicht aber . . . Stellen Sie sich ruhig gegen die Stadt. Sie werden schon sehen, was Sie davon haben!«
»Sie bringen mich in Schwierigkeiten. Was soll ich tun?«
»Ihre Schwierigkeiten sind nicht meine. Sie wollten die Wahrheit von mir wissen, und ich habe sie Ihnen gesagt. Und was Sie tun sollen . . . kein Kommentar. Es kann alles falsch sein.«
»Wer weiß noch von Höllerich, außer Maria Olsen? Reuter? Obert? Pickard? Toni? Wer?«
»Bingo, der Kandidat hat neunundneunzig Punkte! Sie sollten Quizkandidat werden, Brackmann. Reuter, Pickard, Obert, ja. Es fehlen noch ein paar. Toni gehört übrigens nicht dazu.«
»Und wer? Ich meine, was macht es denn schon noch, wenn Sie mir die Namen nennen?«
»Phillips, Merkel, Büchner, Charlie. Und natürlich Ihr Vorgänger. Alle wußten davon. Weil alle auf die eine oder andere Weise erpreßbar sind oder waren, bis auf Charlie, der für Geld sowieso alles tun würde. Und die Vandenbergs konnten absolut sicher sein, daß keiner quatschen würde, das garantiere ich Ihnen, denn ich bin auch über so manches Geheimnis dieser Leute informiert. Sie brauchten sich nichteinmal vor Maria Olsen zu fürchten, sie wußten ja von ihrer Schwangerschaft, und was das für die Ärmste bedeuten konnte. Die gute Maria, sie hatte wirklich ein schlechtes Gewissen. Und sie wußte nicht, daß außer ihr noch so einige eingeweiht waren . . . Am Sonntag, als Maria Olsen zu mir kam, sagte mir eine innere Stimme, daß bald eine Bombe explodieren würde. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen, aber es gibt eine innere Stimme, die zu einem spricht, man muß nur zuhören können. Nur, idiotisch wie ich bin, ignorierte ich sie und hoffte, Maria Olsen würde noch mindestens zwanzig Jahre leben, und wer weiß schon, was in zwanzig Jahren sein wird! Wer konnte schon voraussehen, daß ihr nur noch zwei Tage
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