Der Finger Gottes
– besitzt Ihr Mann Hunde?«
»Ist das neuerdings verboten?«
»Nein, natürlich nicht. Aber ich würde sie gerne sehen, wenn Sie gestatten.«
»Sie sind nicht hier im Haus, sondern draußen auf dem Müllerhof, wo auch das Unglück geschehen ist.«
»Sie wissen also, was sich auf dem Müllerhof abgespielt hat?«
»Ich habe es nur gehört . . .«
»Was haben Sie gehört?«
»Es sollen dort Hundekämpfe stattgefunden haben. Aber ich weiß es nicht.«
»Was wissen Sie überhaupt von den Hundekämpfen?«
»Nichts!«
»Und Ihr Mann?«
»Fragen Sie ihn selbst.«
»Nun, ich denke, Sie wissen ganz genau, daß Ihr Mann aktiv an solchen Kämpfen beteiligt war. Wenn das stimmt, wird er sich dafür verantworten müssen.«
»Das ist nicht mein Problem. Sprechen Sie mit ihm darüber, und lassen Sie uns jetzt in Ruhe.«
»Ich werde mit ihm sprechen.« Brackmann sah mitleidig auf die kleine Frau. »Frau Scherer, ich würde Ihnen gerne noch eine persönliche Frage stellen. Sie müssen sie selbstverständlich nicht beantworten, wenn Sie nicht wollen.«
»Wenn es um meinen Mann und mich geht, werde ich nichts sagen.«
»Ich werde Sie trotzdem fragen. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Mann momentan? Sie wissen, warum ich frage?«
Sie zeigte keine Regung, als sie antwortete.
»Wie soll es schon sein! Man gewöhnt sich an alles.«
Brackmann wandte sich zum Gehen. In der Tür blieb er stehen und sagte noch: »Ich möchte Sie übrigens bitten, mit Ihrem Mann nicht über meinen Besuch zu sprechen. Ich möchte das gerne selbst erledigen.«
»Wie Sie wollen.«
Sie begleitete ihn zur Tür. Diesmal würde er Scherer kriegen. Aber das hatte Zeit; er würde ihm nicht weglaufen.
Um kurz nach halb zehn machte Brackmann noch einen kurzen Abstecher ins Büro, rief von dort aus Engler an und bat ihn um ein kurzes Gespräch.
Als Brackmann nur fünf Minuten nach dem Anruf bei Engler erschien, stellte dieser gerade frische Kerzen auf den Altar. Er hatte Brackmann den Rücken zugewandt.
»Guten Morgen.«
»Hallo.« Er bewegte sich langsam um den Altar, um weitere Kerzen auszutauschen.
Brackmann stellte sich neben Engler, der eine abgebrannte Kerze aus der Halterung schnitt und eine neue weiße hineinsteckte.
»Ich habe um elf einen Termin mit Jonas Vandenberg. Bevor ich hinfahre, möchte ich Sie noch einmal fragen, ob Sie mir nicht doch helfen möchten.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, erwiderte Engler kühl, ohne Brackmann anzusehen.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen! Ich höre von Ihnen immer nur das gleiche! Mein Gott, Engler, jetzt machen Sie es mir doch nicht so schwer! Es gibt für mich da noch eine Menge ungeheuer wichtiger Fragen, und Sie sind wahrscheinlich der einzige, der sie mir beantworten kann.«
»Ich bin der falsche Mann dafür.«
»Sie sind nicht der falsche Mann, das wissen Sie so gut wie ich!« brauste Brackmann auf. »Aber Sie haben Angst! Sie haben die gleiche verfluchte Angst vor den Vandenbergs wie anscheinend alle hier in diesem verdammten Waldstein! Aber gerade von Ihnen hätte ich ein wenig mehr Zivilcourage erwartet!«
Engler blickte Brackmann jetzt direkt in die Augen, die Mundwinkel nach unten gezogen, und sagte laut: »Zivilcourage! Was wissen Sie schon vom Leben und von Waldstein?! Es ist leicht, von Zivilcourage zu reden, wenn einen mit diesem Ort nichts verbindet als sechs lausige Jahre als Dorfpolizist!« Er hielt abrupt inne, preßte die Lippen aufeinander, fuhr in gemäßigterem Tonfall fort: »Tut mir leid, Brackmann, ich wollte das so nicht sagen, aber . . . Sie haben nicht die leiseste Ahnung von dem, was hier wirklich vorgeht. Ich kann Ihnen nicht helfen und ich habe Ihnen auch nichts weiter zu sagen . . .«
Brackmann packte Engler, der sich wieder abgewandt hatte, bei den Schultern, sah ihn verächtlich an. »Sie sind tatsächlich nur ein elender Heuchler! Und ich war der festen Überzeugung, gerade Sie als Priester hätten so etwas wie Ehrgefühl. Nein, bitte, unterbrechen Sie mich jetzt nicht, ich bin noch nicht fertig. Wissen Sie, was mich letzte Nacht unter anderem um meinen Schlaf gebracht hat? Wahrscheinlich wissen Sie’s nicht, aber ich werd’s Ihnen sagen. Sie behaupten ständig, die Vandenbergs nur sehr flüchtig zu kennen, stimmt doch, oder? Aber zufälligerweise und aus äußerst zuverlässiger Quelle habe ich erfahren, daß Sie in Wirklichkeit regelmäßig bei ihnen verkehren. Ich weiß nicht, warum Sie mich angelogen haben, doch was immer in dieser
Weitere Kostenlose Bücher