Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
durch Maria Olsens Tod und den von ihr hinterlassenen Brief für Waldstein überaus ereignisreiche Tag war an die Grenze seiner ohnehin nicht mehr sonderlich großen Belastbarkeit gegangen. Das Bettlaken und das Kopfkissen klebten an ihm. Der kleine Ventilator quietschte und stöhnte, hatte aber gegen die unerträglich feuchte Hitze keine Chance, er wirbelte die heiße Luft nur durcheinander.
    Er wälzte sich unruhig im Bett herum, fluchte, warf das Laken zur Seite, setzte sich auf, hielt sich den Kopf, fuhr sich mit beiden Händen kräftig durchs Haar. Wütend und enttäuscht, weil der so wichtige Schlaf nicht kommen wollte, ging er zum Kühlschrank, nahm eine Dose Bier und die fast volle Flasche Cognac heraus und knallte die Tür wieder zu. Er riß den Verschluß der Dose auf, schüttete den nicht sonderlich kalten Inhalt in sich hinein, trank danach einen Schluck Cognac aus der Flasche. Doch was ihn sonst entspannte, zeigte diesmal keine Wirkung, sein Zorn wurde nur noch größer. Er zog seine Bermudas über, schaltete dasRadio an, stellte sich ans offene Fenster, zündete sich eine Zigarette an.
    Die Straße war leergefegt, die Stadt wirkte wie ausgestorben, einzig der Gesang der Zikaden und das wie aus weiter Ferne kommende laute Hämmern von Rockmusik zeugten von Leben. Er stand minutenlang am Fenster, sah die Merkels vorüberfahren, wenig später gefolgt von den Oberts, dicht dahinter der alte, knatternde Käfer von Andy. Ein Betrunkener, dessen Gesicht Brackmann nicht erkennen konnte, aber es war weder Charlie noch Willy, torkelte über den Bürgersteig, hielt sich an jeder Laterne fest. Kurz darauf tippelte die Hure Görtz mit eiligen Schritten unter seinem Fenster vorbei, ihre hohen Absätze klapperten über die Steine. Allmählich verebbte das Klappern, verstummte das dumpfe Hämmern der Musik, selbst die Zikaden dämpften ihren Gesang. Eine beinahe unheimliche Stille legte sich über Waldstein.
    Wie fast jeden Abend ab zehn Uhr war Waldstein ein toter Ort. Keine Gespräche mehr auf der Straße, kein Lachen, kein Lärm, man verkroch sich wieder in den kleinen weißgestrichenen Höhlen und erwartete die Hitze des kommenden Tages. Auch wenn dieser Abend sich auf den ersten Blick in nichts von den anderen Sommerabenden der vergangenen Wochen unterschied, kam es Brackmann doch vor, als sei etwas anders, aber er hätte nicht sagen können, was. Vielleicht war es aber auch nur der fehlende Schlaf, die blankliegenden Nerven, die ihm etwas vorgaukelten, das eigentlich normal war.
    Er drehte den Kopf ein wenig nach rechts, am nördlichen Horizont glaubte er schwaches Wetterleuchten auszumachen, doch als er länger hinschaute, seinen Blick nach oben gleiten ließ, war da nichts als Schwärze, bedeckt von einer Unzahl glitzernder Diamanten, und der eben aus dem Südwesten aufsteigende Vollmond.
    Im Hintergrund seines Zimmers spielte leise das Radio.
Moonlight Serenade
von Glenn Miller, danach die Stimme des Moderators, der wohl glaubte, mit platten Sprüchen den Zuhörern die Nacht versüßen zu können. Dann wieder Musik. Ein paar Kurzmeldungen, das Wetter. Brackmann hörte nicht zu, er stand ja am Fenster, den nackten Oberkörper vornübergebeugt, die Ellbogen auf das Fensterbrett gestützt. Immer, wenn er einen Zug nahm, glimmte die Zigarettenspitze rot auf.
    Er dachte an Angela Siebeck. Sie unterschied sich so wohltuend von den meisten anderen, die in Waldstein lebten. Sie war nicht nur hübsch, sie war außerdem intelligent, nie aufdringlich, zurückhaltend und reserviert, Eigenschaften, die er bei Frauen schätzte. Was sie wohl jetzt machte? Ob auch ihr die Hitze den Schlaf raubte? Es war nicht der erste Abend, an dem er an sie dachte, sich vorstellte, wie es wäre, jetzt mit ihr zusammenzusein. Das letzte Mal, daß er mit einer Frau so etwas wie eine Liaison hatte, lag beinahe acht Jahre zurück. Eine sechsmonatige stürmische Affäre, die er von einem Tag auf den andern beendet hatte. Sie war nymphoman gewesen und er unfähig, ihre fortdauernde Gier nach sexueller Befriedigung ausreichend zu stillen. Erst war sie ungehalten und beleidigt gewesen, weil er es nicht geschafft hatte, sie an einem bestimmten Abend viermal hintereinander zu besteigen, sein Körper sich einfach verweigert hatte, schließlich hatte sie ihn ausgelacht, dann verhöhnt, ihn einen erbärmlichen Schlappschwanz genannt, für den der Begriff Ficken ja wohl ein Fremdwort zu sein schien. Als er ihre böse funkelnden Augen gesehen, ihre

Weitere Kostenlose Bücher